In der Griechenlandmisere könnte ausgerechnet der Ruf jener Institution am meisten beschädigt worden sein, die von den Menschen am stärksten mit dem Euro assoziiert wird. Die Rede ist von der Europäischen Zentralbank (EZB). Das wäre fatal, denn eine Notenbank und eine Währung sind nicht viel mehr wert als das ihnen entgegengebrachte Vertrauen.

Vor allem aber wäre das unfair. Denn die linke wie rechte Kritik an den Währungshütern in Frankfurt ist überzogen. Die EZB hat sicherlich nicht alles richtig gemacht. Im Gegensatz zu vielen politischen Verantwortlichen hat sie aber recht umsichtig gehandelt.

Belegen lässt sich dies durch einen Blick auf die Argumente der Kritiker. Da ist zunächst die Riege rechtskonservativer deutscher Ökonomen, zu denen etwa der streitbare Hans-Werner Sinn gehört. Die EZB hat den griechischen Banken Notkredite über 90 Milliarden Euro gewährt – Tendenz steigend. Das hätte sie nie tun dürfen, argumentieren Sinn und seine Kollegen. Die EZB betreibe Konkursverschleppung. Die Gelder seien verloren, die Zeche werden die Steuerzahler im übrigen Europa zahlen, sagen die Germano-Volkswirte.

Die Kritik geht ins Leere. Die jüngsten Entwicklungen haben den griechischen Banken zugesetzt. Doch die hellenischen Institute sind nicht überschuldet oder wegen riskanter Spekulationsgeschäfte insolvent. Im Kern des Problems steckt vielmehr eine Vertrauenskrise. Aus Angst vor einem Grexit heben die Griechen Geld ab. Um diesen Ansturm zu bewältigen, brauchen die hellenischen Banken die EZB-Notkredite. Im Notfall Liquidität bereitzustellen zählt zu den Kernaufgaben jeder Notenbank. Mit ihren Notdarlehen hat die EZB also nur ihre Aufgabe erfüllt.

Der zweite, jedoch gewichtigere Einwand gegen die EZB kommt von links: Die Notenbank habe im entscheidenden Moment, als Griechenlands Premier Alexis Tsipras sein Referendum angekündigt hat, die Notkredite eingefroren und so die Bankenschließungen forciert. Damit wurde die Regierung in Athen gebrochen. Die Aktionen der Notenbank machen deutlich, dass kein Land in der Währungsunion wirklich über eine "eigene" Währung verfügt, weil die EZB ihre Kredite als Druckmittel gegen die Politik einsetzt. Das würden richtige Notenbanken, etwa die Fed in den USA, nie tun. Diese Kritik ist nicht verfehlt, doch trifft sie den falschen Adressaten.

Die EZB ist verpflichtet sicherzustellen, dass ihre Darlehen nicht uneinbringlich werden. Nirgendwo steht geschrieben, dass die Notenbank nicht Verluste erleiden darf. Doch sie muss versuchen, die Risiken zu minimieren. Die EZB darf den Rettungsring so lange auswerfen, bis die Chancen gut stehen, dass sie ihre Gelder zurückerhält. Das ist sinnvoll, denn für Verbindlichkeiten des Eurosystems haften alle Mitgliedsländer der Eurozone. Doch nach der Ankündigung des Referendums haben die übrigen Euroländer Griechenlands laufendes Hilfsprogramm für beendet erklärt. Damit war eine chaotische Staatspleite wahrscheinlich. Die EZB musste handeln. Nicht die Notenbank, sondern die Finanzminister der übrigen Euroländer haben also den Stecker gezogen.

Tatsächlich hat es den Anschein, als habe EZB-Chef Mario Draghi intern die wahren Falken im Eurosystem, wie den Chef der Deutschen Bundesbank Jens Weidmann, eingebremst. Weidmann fordert schon lange ein viel härteres Vorgehen gegen Griechenland. Bisher hält ihn Draghi in Schach. (András Szigetvari, 21.7.2015)