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Der griechische Premier Alexis Tsipras (rechts) und sein Finanzminister Yanis Varoufakis haben das Twittern perfektioniert

Foto: Reuters/Konstantinidis

Völlig abseits der politischen Bewertung ihrer Handlungen, ein Kompliment muss man der griechischen Regierung zweifelsohne machen: Sie versteht es, ihre Positionen und Meinungen rasant im Netz zu verbreiten – und zwingt andere Entscheidungsträger wie EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, öffentlich darauf zu reagieren. Die Strategie ist nicht überraschend: Einerseits ist Syriza mit dem Versprechen gestartet, frischen Wind und vor allem mehr Transparenz in die griechische Politik zu bringen. Andererseits müssen sich vor allem deutsche Medien den Vorwurf gefallen lassen, die griechische Position nicht immer neutral zu berichten.

Greferendum auf Twitter angekündigt

Daher tragen der griechische Premier Alexis Tsipras und sein Finanzminister Yanis Varoufakis den Meinungskrieg nun direkt auf Twitter aus. Tsipras, der einen englischsprachigen und einen griechischen Account betreibt, schockierte EU-Verhandler etwa mit seiner Ankündigung, das eigene Volk über die Annahme des EU-Angebots für weitere Finanzhilfen abstimmen zu lassen. Wo verkündete Tsipras das Referendum? Klarerweise auf Twitter.


Rundumschlag in 140 Zeichen

Auch Finanzminister Varoufakis schafft es wie kaum ein zweiter Politiker, politische Gegner in 140 Zeichen anzugreifen. Regelmäßig holt er zum Rundumschlag aus, um "Lügen" von Medien oder EU-Entscheidungsträgern offenzulegen. So etwa am 23. Juni, als er zwei falsche Informationen zu einem Verhandlungsvorschlag aus Griechenland berichtigte.


Tausende Retweets

Wie der Guardian analysiert, sind Tsipras und Varoufakis auch wahre Meister in der Kunst des "Non-Mentions": So nennt man eine Twitter-Mitteilung, in der es um eine bestimmte Person geht, diese wird aber nicht markiert – und bekommt dann nicht mit, dass hinter ihrem Rücken über sie gesprochen wird. Zumindest in der Theorie: Denn dank tausender Retweets erfahren EZB-Chef Mario Draghi oder Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem in der Praxis sehr schnell, was Varoufakis und Tsipras über sie schreiben.

Diskurs wandert zu Twitter

Die griechische Regierungsspitze reagiert auch regelmäßig auf Fragen von Nutzern aus ganz Europa und teilt Tweets, die ihre Position unterstützen.


Mit der starken Social Media-Präsenz zwingen sie auch andere Politiker, vermehrt auf Twitter unterwegs zu sein. Beispielsweise Kommissionspräsident Juncker, der in den vergangenen Wochen deutlich mehr Nachrichten abgesetzt hat. So scharf und manchmal spöttisch wie Tsipras und Varoufakis kann Juncker allerdings nicht agieren – Prägnanz ist allerdings das A und O in sozialen Sphären.


Österreich: Regierungsspitzen eher mäßig aktiv

In der österreichischen Politik wird Twitter übrigens erst langsam zum Kommunikationstool. ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner sorgte etwa mit seiner dort getätigten Ankündigung für ein totales Rauchverbot für Aufsehen. Ansonsten nutzt Twitter allerdings vor allem die zweite oder dritte Reihe für wenig beachtete Grabenkämpfe mit anderen Parteien oder Journalisten – oder für skurrile Aussagen. (fsc, 2.7.2015)