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Der griechische Premier Alexis Tsipras gibt sich vor dem Gipfel am Montag demonstrativ zuversichtlich. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel erwartet sich wenig.

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Brüssel/Athen/Washington – Vor dem Krisentreffen im Schuldendrama um Griechenland haben Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel und EU-Ratspräsident Donald Tusk vor überzogenen Erwartungen gewarnt. "Der Gipfel am Montag kann nur ein Entscheidungs-Gipfel werden, wenn eine Entscheidungsgrundlage vorliegt", sagte Merkel in Berlin. Ansonsten sei das Treffen lediglich ein "Beratungs-Gipfel" – und man müsse weiter warten.

Tusk sagte im Hinblick auf das von ihm anberaumte Treffen der Staats- und Regierungschefs der Eurostaaten in Brüssel: "Der Gipfel wird nicht der letzte Schritt sein". "Wir müssen uns von jeglichen Illusionen befreien, dass es auf höchster Ebene eine Zauberformel gibt".

Nach Angaben aus Athen geht es in den Verhandlungen letztlich nur noch um Maßnahmen für 450 Millionen Euro. Die Gläubiger machten zusätzlich Einsparungen in diesem Umfang zur Bedingung für die Auszahlung weiterer Hilfen, sagte Staatsminister Alekos Flambouraris im griechischen Fernsehsender MEGA.

Volksabstimmung nicht ausgeschlossen

Flambouraris dämpfte aber ebenfalls die Aussicht für einen Erfolg des Griechenland-Sondergipfels der Euro-Staaten am Montagabend in Brüssel. Die Gläubiger seien nicht bereit, Athen wie gefordert eine Reduzierung des Schuldenberges zuzusichern. "Hoffentlich akzeptieren sie es, aber sie werden es nicht machen, das ist meine persönliche Ansicht", sagte Flambouraris. Er gilt als einer der engsten Berater des linken griechischen Regierungschefs Alexis Tsipras.

Sollte die Gläubiger Tsipras ultimativ auffordern, ihren Plan zu akzeptieren oder sein Land pleitegehen zu lassen, schloss Flambouraris eine Volksabstimmung über das Sparprogramm nicht aus. "Das würde ich machen", sagte Flambouraris.

Berichte: Noch kein Bank-Run

Allein am Freitag sollen die Griechen nach übereinstimmenden Berichten der griechischen Presse 1,7 bis zwei Milliarden Euro von ihren Konten abgehoben haben. Damit seien seit Montag fünf Milliarden Euro aus dem Banksystem abgeflossen, berichtete die konservative Athener Zeitung "Kathimerini". Einen sichtbaren sogenannten "Bank Run" mit langen Schlangen vor den Schaltern gab es jedoch nicht. Am Samstagmorgen herrschte nach Augenzeugenberichten reger, aber nicht unnormaler Betrieb an den Bankomaten.

Die Europäische Zentralbank (EZB) könne sich keinen Bankrott der griechischen Banken leisten, sagte Staatsminister Alekos Flambouraris am Samstag im griechischen Fernsehen, sagt Flambouraris. Die EZB wüsste um den Dominoeffekt, den ein Zusammenbruch des Bankensystems auslösen würde,

USA rufen zu Kompromiss auf

Die USA riefen Griechenland und die Geldgeber zu einem Kompromiss im Schuldenstreit auf. "Wir glauben, dass für Griechenland und seine internationalen Partner eine Notwendigkeit besteht, Schritte in Richtung Kompromiss zu unternehmen", sagte Regierungssprecher Eric Schultz am Freitag. Beide Seiten müssten ein glaubwürdiges Reformprogramm erarbeiten, "das die Grundlage für langfristiges Wachstum in der Eurozone legen kann".

Der griechische Regierungschef Alexis Tsipras forderte erneut die EU mit Nachdruck auf, seinem Land zu helfen. Dort hoben verunsicherte Bürger nach Schätzungen vom Freitag allein in dieser Woche rund vier Milliarden Euro von ihren Bankkonten ab. Im russischen St. Petersburg vereinbarte er mit Kremlchef Wladimir Putin zugleich eine engere Zusammenarbeit beider Länder. Vom Weiterbau einer russischen Schwarzmeer-Gaspipeline (Turkish Stream) nach Griechenland erhofft sich Athen hohe Einnahmen für die leere Staatskasse.

Schäuble: "Sind nicht enthusiastisch"

Die Geldgeber aber beharren auf verbindlichen Reform- und Sparplänen Athens. Vielleicht nehme über das Wochenende die Bereitschaft zu, "das Notwendige zu tun", sagte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble nach Beratungen mit seinen europäischen Kollegen in Luxemburg. "Wir sind alle nicht besonders enthusiastisch."

Die Europäische Zentralbank (EZB) hält Griechenlands Banken mit weiteren Notkrediten vorerst über Wasser und entschied, den Rahmen für sogenannten ELA-Hilfen erneut auszuweiten. Das erfuhr die Nachrichtenagentur Bloomberg von mit der Sache vertrauten Personen. Die Börsen in Frankfurt und New York schlossen am Freitag auch wegen der Griechenland-Sorgen im Minus.

Juncker warnt Tsipras

Tsipras zeigte sich trotz der verfahrenen Situation demonstrativ zuversichtlich und begrüßte die Einberufung des Sondergipfels der Euro-Staaten. "Wir arbeiten jetzt für den Erfolg dieses Treffens", sagte er am Rande eines internationalen Wirtschaftsforums in St. Petersburg. Erst am Donnerstag war ein Eurogruppen-Treffen ohne Einigung mit Griechenland zu Ende gegangen.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker warnte im "Spiegel" vor einem griechischen Austritt aus der Euro-Währungsunion. "Ich habe Herrn Tsipras mehrfach gewarnt, er solle sich nicht darauf verlassen, dass ich ein Scheitern der Gespräche auf jeden Fall verhindern kann", sagte Juncker.

Bofinger: Grexit hat kurzfristig kaum Auswirkungen

Der deutsche Wirtschaftsexperte Peter Bofinger, Mitglied im Sachverständigenrat der deutschen Bundesregierung zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, sieht für den Fall eines Ausscheidens Griechenlands aus dem Euro nur mittelfristig schwerwiegende Folgen: "Kurzfristig hätte es vermutlich keine allzu großen Auswirkungen – weder auf Deutschland noch auf die Weltwirtschaft. Einen Schock wie nach dem Zusammenbruch der Investment-Bank Lehman Brothers im Jahr 2008 müssten wir nicht befürchten", sagte er der "Passauer Neuen Presse". Damals seien die Märkte völlig überhitzt gewesen, doch heute sei die Situation eine andere. "Vermutlich würden an den Kapitalmärkten die Zinsen für Länder wie Italien oder Spanien steigen, da Spekulanten sich wieder diesen Ländern zuwenden würden. Aber das könnte man mit Hilfe der EZB bewältigen", prognostizierte er.

Mittelfristig wäre ein "Grexit" jedoch schon ein Problem. "Die Eurozone würde ihren Charakter völlig verändern." Heute gelte sie als unangreifbare Festung. "Doch wenn ein Land ausscheidet, würde das Spekulanten anziehen. Sobald ein Land in eine wirtschaftlich schwierige Situation käme, würden Wetten auf einen weiteren Euro-Austritt abgeschlossen. Das treibt die Zinsen in die Höhe und sorgt dafür, dass Investoren ihr Kapital abziehen." So würden Länder destabilisiert, erläuterte er. Massive Konsequenzen hätte ein Grexit für Griechenland. "Er würde das Land ins ökonomische Chaos stürzen. Für die Wirtschaft wäre es ein massiver Schock. Das Land würde eine Inflation gigantischen Ausmaßes erleben, da die Regierung versuchen müsste, den Absturz durch das Drucken von Geld abzufedern," ergänzte der Wirtschaftsexperte. (APA, 20.6.2015)