Wladimir Putin und Alexis Tsipras am Freitag in St.Petersburg.

Athen / St. Petersburg – Erst malte er den Grexit an die Wand und sogar Griechenlands Hinauswurf aus der EU, dann musste Yanis Stournaras Abbitte leisten. Freitagmorgen, nur zwei Tage nach seiner unerhörten Warnung, erhielt der griechische Zentralbankchef Besuch von der Regierung. Das griechische Bankensystem ist stabil, ließ er danach erklären. Geglaubt hat ihm das niemand mehr. Nochmals drei Mrd. Euro sollen diese Woche von den Bankkonten abgehoben worden sein. Das griechische Bankensystem ist ein leckgeschlagenes Schiff. Überall schießt nun das Wasser herein.

Nach außen sieht aber alles ruhig aus. Es gibt keine Schlangen vor den Geldautomaten, der Leitindex an der Athener Börse beginnt zunächst sogar zu klettern. Auch auf den letzten Metern vor dem Krisen-Eurogipfel am Montag versucht die Regierung der radikalen Linke Zuversicht zu verbreiten. "Wir haben abschließende Verhandlungen auf höchster politischer Ebene in Europa angestrebt und arbeiten nun für einen Erfolg dieses Gipfels. Jeder, der auf Krisen- und Schreckensszenarien setzt, wird enttäuscht sein", heißt es in der Nacht zu Freitag aus dem Amt des griechischen Premiers.

Alexis Tsipras ist in diesem Moment weit weg, 2500 Kilometer hoch im Norden im russischen St. Petersburg. Es ist sein drittes Treffen mit Wladimir Putin in ebenso vielen Monaten. Tsipras nimmt am Petersburger Internationalen Wirtschaftsforum teil, der Termin stand schon seit längerem fest. Aber dann, auf dem Höhepunkt des Finanzstreits, ist es natürlich auch eine Botschaft an den Rest der EU und die deutsche Regierung: Wir können auch anders. Wenn Europa die Griechen abstraft, finden sie eben andere Geldgeber. In Petersburg lässt Tsipras seinen Energieminister den Bau des griechischen Abschnitts von Turkstream unterschreiben, des neuen Gazprom-Projekts.

(Markus Bernath, DER STANDARD, 20.6.2015)