Bern - Die Schweizer stimmen am Sonntag über eine Rundfunk-Abgabe für alle Haushalte ab ab. Umfragen sagen ein knappes Resultat voraus – obwohl die Haushalte weniger bezahlen müssten als bisher.

Regierung und Parlament versprechen, dass statt 450 Franken 400 pro Haushalt und Jahr anfallen, rund 380 Euro. Denn bisher musste sich anmelden und die entsprechende Gebühr bezahlen, wer fernsehen oder Radio hören wollte. Doch dies taten längst nicht alle Bürger und auch viele Kleinunternehmer nicht. Deshalb musste die Gebühr mit grossem Kontroll- und Erhebungsaufwand einkassiert werden.

Die neue Abgabe sei günstiger und gerechter, argumentiert die Regierung: "Schwarzseher und Schwarzhörerinnen werden in die Pflicht genommen. Die Finanzierung wird auf mehr Schultern verteilt, weil heute praktisch alle Haushalte und Unternehmen Radio und Fernsehen empfangen können. Die Ehrlichen müssen nicht mehr für Trittbrettfahrer aufkommen."

Der Ertrag aus der Empfangsgebühr, rund 1,3 Milliarden Franken, geht heute und auch künftig zum grössten Teil an die Schweizerische Radio- und Fernsehgesellschaft SRG. Um die dreht sich denn auch die Debatte in erster Linie: Die SRG sei zu dominant, sie interpretiere ihren Leistungsauftrag allzu offensiv und konkurrenziere die privaten Medienhäuser allzu stark, kritisieren die Gegner des RTVG-Gesetzes. In der Tat betreibt die SRG 17 Radio- und 7 TV-Programme und ein Online-Angebot für die vier Schweizer Sprachregionen. Ob all das nötig sei, darüber müsse zuerst diskutiert werden, und erst danach über die Finanzierung gesprochen, monieren die Gegner, die bürgerlichen Parteien SVP und FDP allen voran.

Die Gegner der Abgabe für alle dominieren die Debatte in den Medien aber auch aus einem anderen Grund, kritisiert der Salzburger Medienwissenschafter Mark Eisenegger, der die Berichterstattung der Schweizer Presse analysiert hat: "Von den mehr als 1200 Aussagen, die wir ausgewertet haben, wird nur gerade in 15 Aussagen darauf hingewiesen, dass private Medien mit einer SRG- und RTVG-kritischen Berichterstattung selbst ebenfalls handfeste Interessen verfolgen könnten". Damit nehme die Presse ihre Funktion als "watch dog" nicht wahr, sondern stelle sich in den Dienst ihrer Besitzer. "Ich bin allerdings überzeugt, dass es eine grosse Diskrepanz gibt zwischen der öffentlichen und der veröffentlichten Meinung", so Eisenegger im Boulevardblatt Blick: "Ein starker Service Public ist nach wie vor erwünscht und das publizistische Angebot der SRG wird in breiten Bevölkerungskreisen geschätzt." (Klaus Bonanomi, 11.6.2015)