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Musiker und "Manderl": Andreas Gabalier beim Amadeus Austrian Music Award in Wien.

FOTO: APA/GEORG HOCHMUTH

Andreas Gabalier ließ kürzlich bei der Verleihung des österreichischen Musikpreises Amadeus mit einer Wortspende aufhorchen. "Man hat's nicht leicht auf der Welt, wenn man als Manderl noch auf ein Weiberl steht", sagte der Volksmusiker und wähnte sich in der heterosexuellen Minderheit. Thomas Hörl nahm dies zum Anlass, um dem Musiker in einem offenen Brief die "Freuden" der Ausgrenzung näherzubringen.

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Lieber Andreas Gabalier, ich muss gestehen, ich bin kein Fan Ihrer Musik. Ich kenne Sie nicht einmal. Eigentlich fallen Sie mir nur Ihrer Äußerungen wegen auf, die ich mehr als nur peinlich und rückständig finde. Sie als "Manderl, das auf Weiberl steht", haben es natürlich extrem schwer. Manchmal hilft es, die Perspektive zu wechseln. Lassen Sie uns das also einmal anders aufrollen. Ich möchte Sie einladen, homosexuell zu werden, und Sie dahingehend bei Ihrer Transformation unterstützen, indem ich Ihnen von den Freuden der Diskriminierung im echten Leben berichte.

1. Natürlich sind Sie als homosexueller Jugendlicher bereits privilegiert aufgewachsen und geboren worden. Wahrscheinlich haben Sie es sich sogar ausgesucht. Deswegen fühlen sich heterosexuelle Jungs und auch oft Mädchen in ihrem Revierverhalten bedroht. Sie nennen Sie sicher nicht "Schwuchtel" oder "Tunte". Und wenn sie es denn täten, würde es Sie gar nicht verwirren. Sie sind ja schließlich von Anfang an ein offen lebender Homosexueller.

Niemals verstellen

Verstecken müssen Sie sich nicht, niemals verstellen. Das ist ja heute gar nicht nötig. Im Turnunterricht akzeptieren Sie auch alle so, wie sie sind; Sie müssen sich nie auf der Behindertentoilette umziehen. Es ist auch kein Problem, wenn Sie ein bisschen femininer sind; Sie werden immer in jedes Team gewählt und meist als Erster. Auch wenn Sie dann gewählt werden, nennt Sie keiner "Tucke". Und die Suizidraten unter LGBT-Teenagern (Anm.: Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender), wo sich 13-Jährige die Waffe an die Schläfe halten: sicherlich unwahr.

2. So wie Ihr Umfeld in der Schule von Ihrer Privilegierung früh erfahren hat, wissen das auch Ihre Eltern. Nie würden sie auf die Idee kommen, Sie als ekelhaft zu bezeichnen, weil Sie Männer lieben.

Keine Rechtfertigungen

Es würde auch garantiert niemals passieren, dass Sie sich wünschten, Sie gehörten eben zu diesen "Manderln", die "Weiberl" mögen, nur um von Ihren Eltern akzeptiert zu werden. Lügen müssen Sie nie bei der Frage, mit wem Sie sich treffen, nicht einmal rechtfertigen müssen Sie sich. Ein Doppelleben – völlig ausgeschlossen. Ihre Eltern stehen immer zu Ihnen und werfen Sie auch sicherlich nicht aus Ihrem Zuhause.

Sicher keine Alltagshomophobie

3. Selbstverständlich finden Sie ganz leicht einen Partner, weil die ja auch alle geoutet sind und niemand sich verstecken muss. Im Prinzip reicht es, wenn Sie einen x-beliebigen Mann in der Öffentlichkeit ansprechen. Er wird sicher entweder schwul sein oder sich total geschmeichelt fühlen. Da kommt sicher kein dämlicher Kommentar oder gar so etwas wie Alltagshomophobie hoch.

4. Im Alltag haben es Homosexuelle auch leicht. Im Büro lebt man offen, die Arbeitskollegen kennen Ihren Partner vielleicht sogar schon. Da werden Sie nie blöd angemacht. Und weil Sie so viele Privilegien haben, wollen Sie auch was Gutes tun. Blutspenden etwa. Niemand denkt, dass Sie als Homosexueller ohnehin von Haus aus HIV+ sind, und Ihre Blutspende wird freundlich akzeptiert.

Kuss in der Öffentlichkeit – kein Problem

5. Wenn Sie dann einmal einen Partner haben, ist auch alles ganz einfach. Ein Kuss auf die Wange in der Öffentlichkeit oder gar Händchenhalten ist gar kein Problem. Niemand wird Ihnen etwa verwirrt oder angeekelt hinterherglotzen, Sie anbrüllen und Sätze wie "Dreckige Homos, tut das daheim" rufen oder gar mit Gewalt und Bibelversen drohen. Eine Wohnungssuche gestaltet sich auch nicht schwierig. Dann zieht eben ein schwules Paar ein, kein "Manderl" und "Weiberl".

Was eine gute Liebe ist

6. Und dann. Endlich. Endlich kommt der große Tag. Sie möchten heiraten und eine Familie gründen. Natürlich dürfen Sie das ohne Vorbehalte in Österreich. Ist ja nicht so, dass der Staat sagt, was eine gute Familie ist oder was eine gute Liebe ist. Im Ehe- und Familienrecht ist man sicher nicht Bürger zweiter Klasse. Und wenn Sie dann einmal verheiratet sind und auch Kinder von der Leihmutter bekommen haben, wird alles noch besser. Anhand Ihres Doppelnamens merkt niemand, dass Sie schwul sind. Und wenn Sie, Andreas, mit Ihrem Doppelnamen zum Arzt, einer Behörde et cetera gehen, weiß man das nicht und sieht Sie nicht schief an. Alles läuft gut für Sie. Von den Kindern brauche ich erst gar nicht zu sprechen. Die werden genauso akzeptiert wie Sie. Dann haben die eben zwei Papas. Und?

Nun mal im Ernst

Aber nun mal im Ernst, lieber Andreas Gabalier. Diese Geschichte – wenn Sie sie umdrehen natürlich – habe ich teilweise erlebt und teilweise in meinem Bekanntenkreis mitbekommen. Sie zeugt vom Umgang mit Homosexuellen in Österreich – und das ist kein guter. Als heterosexueller Mann ist man immer noch im Vorteil – und nur weil dieses Machtgefüge vielleicht gerade ein wenig erschüttert wird und sich infolgedessen ein wenig verändert, braucht das noch lange kein Unbehagen auszulösen. Unbehagen braucht es erst auszulösen, wenn ein echtes Erdbeben kommt und sich alles ins Gegenteil verkehren würde und Homosexuelle Jagd auf Heteros machen würden. Umgekehrt ist das in Russland gerade der Fall. (Thomas Hörl, derStandard.at, 9.4.2015)