Wien - Für türkische Unternehmer bringt die Wirtschaftskammerwahl (23. bis 26. Februar) heuer eine Premiere. Erstmals dürfen sie auch als Kandidaten zur Wahl antreten. Ansonsten gibt es dieses Privileg nur für EWR-Bürger und Staatsbürger einiger südamerikanischer sowie Balkanstaaten. Das aktive Wahlrecht haben freilich alle Selbstständigen, weshalb Men-schen mit Migrationshintergrund (bereits ein Drittel aller Unternehmen) im Wahlkampf - vor allem von den kleineren Fraktionen - besonders umworben werden.

Gezielte Kampagnen fährt etwa der Sozialdemokratische Wirtschaftsverband (SWV) in Wien. In den zahlreichen Chinarestaurants werden Infofolder auf Chinesisch verteilt, in der serbischen Community wirbt der von der FPÖ abgeworbene Kommunalpolitiker Luka Markovic um Stimmen.

So erklärt der SWV chinesischen Unternehmern die Kammerwahl
Foto: swv

Traditionell gut schneiden die Roten bei türkischen Unternehmern ab, die stark im Markthandel, Elektrofachhandel oder im Modeeinzelhandel vertreten sind. Hinter vorgehaltener Hand wird aber auch erzählt, dass gerade in Wien eine Kandidatur für den SWV hilfreich sein kann, wenn es um Genehmigungen beim Marktamt geht. Dass man bei türkischen Kandidaten mitunter auf konservative Weltbilder trifft, die nicht den klassischen sozialdemokratischen Werten entsprechen, sei dem SWV bewusst, sagt dessen Direktor Peko Baxant. Ihm sei aber lieber, die Kandidaten einzubinden als anderen Fraktionen zu überlassen.

Keine Quoten

Auch im schwarzen Wirtschaftsbund gab es immer wieder Aufregung über türkische Kandidaten, die der AKP des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nahestehen. Generell betont man im Wirtschaftsbund aber, alle Gruppen gleich ansprechen zu wollen. "Wir stellen nicht nach Quoten oder Nationalitäten auf", sagt ein Sprecher. "Alles andere wäre auch heuchlerisch."

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Türkische Unternehmer werden in Wien besonders vom Sozial-demokratischen Wirtschaftsverband umworben
Foto: apa/neubauer

Stark umworben - auch von den Grünen - sind slowakische Pflegerinnen. Ihre Zahl ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Von den knapp 50.000 wahlberechtigten Personenbetreuern (so der Name der Fachgruppe) kommen 26.000 aus der Slowakei, weitere 16.000 aus Rumänien. Um die Wahlbeteiligung zu steigern, setzen die Fraktionen auf slowakische Kandidatinnen. Der SWV ist sogar in den Zügen, die zwischen der Slowakei und Österreich unterwegs sind, mit Wahlwerbern unterwegs.

Bedeutsame Sparten

Trotz der stark gestiegenen Zahl an Ein-Personen-Unternehmen (rund 57 Prozent der 487.000 Wahlberechtigten) dürfte sich an der Zusammensetzung des Wirtschaftsparlaments aber nicht viel ändern. Dafür sorgt auch das Kammerwahlrecht. Am Beispiel Wien: In den Sparten Gewerbe (hier sind die Pflegerinnen angesiedelt) und Information & Consulting gibt es fast 75.000 Unternehmer. Das entspricht einem Anteil von 70 Prozent aller Wahlberechtigten. Diese zwei Sparten stellen aber nur 31 Prozent der Mandate.

Auf der anderen Seite gibt es Sparten wie Industrie oder Banken, die in Wien nur 780 Wahlberechtigte haben, aber ebenfalls fast 30 Prozent der Mandate stellen. Der Hintergrund: In der Wirtschaftskammer-Wahlordnung werden einzelne Wirtschaftssektoren nach "Bedeutsamkeit" gewichtet. Eine Stimme für eine Fraktion in einer bedeutsameren Sparte zählt also letztlich wesentlich mehr als eine Stimme in einer unbedeutenden Sparte. (Günther Oswald, DER STANDARD, 19.2.2015)