Bittere Selbstironie erlebt man auf Pressekonferenzen der staatlichen Korruptionsermittler eher selten. Vielleicht war es auch ein Lapsus, dass das gegen den früheren Finanzminister Karl-Heinz Grasser anhängige Ermittlungsverfahren einfach vergessen wurde: In der Liste jener Causen, die die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) im laufenden Jahr abzuschließen plant, schien Grassers Buwog-Verfahren nämlich nicht auf. Warum? "Weil es keine Neuigkeit gibt", erklärte WKStA-Chefin Ilse-Maria Vrabl-Sanda. Nichts Neues bedeutete in den Causen Buwog-Privatisierung und Terminal Tower bisher zwar, dass sich der Verfahrensabschluss wieder und wieder verzögerte. Doch hat die Behörde immerhin daraus gelernt – und legt sich zeitlich erst gar nicht mehr fest.

Causa Buwog: Weiter warten

Dabei wäre der Fall bereits pfannenfertig, ein Vorhabensbericht liegt vor – doch kam den Anklägern eine Panne des Straflandesgerichts dazwischen (derStandard.at berichtete). Zusammengefasst: Dem früheren Anwalt Walter Meischbergers, Gerald Toifl, war die Sichtung beschlagnahmter Unterlagen verwehrt worden, obwohl er als Rechtsvertreter mit Schweigepflicht ein Recht darauf gehabt hätte.

Toifls Beschwerde liegt nun beim Oberlandesgericht Wien, das in wenigen Wochen darüber entschieden haben will, und "ich rechne damit, dass das stimmt", sagt Vrabl-Sanda. Was aber, wenn das OLG der Beschwerde Recht gibt und der Akt aufgeschnürt werden muss? Dazu will die WKStA gar nichts sagen. Es ist aber durchaus möglich, dass dieses Versäumnis – ebenso wie neue Beweisanträge Grassers – dazu führen wird, dass das seit mehr als fünf Jahren anhängige Ermittlungsverfahren auch 2015 kein offizielles Ende findet.

Nicht alle Verfahren dauern so lange wie die Causa Grasser: Im Schnitt brauche man sieben bis acht Monate, schätzt Vrabl-Sanda. Wobei sich das Tempo eher verlangsamt als beschleunigt: Im Jahr 2014 nahm man aus dem vorangegangenen Jahr 165 offene Verfahren mit, heuer sind es 215 – bei gleichbleibendem Neuanfall.

Mehrere Abgänge

Was nicht gerade zur Straffung der Verfahren beiträgt, ist, dass der Behörde laufend Wissen und Erfahrung abhandenkommen. Allein im Vorjahr seien sechs Staatsanwälte und Oberstaatsanwälte abgewandert. Die WKStA versucht dieses Problem abzufedern, indem sie Staatsanwaltsteams bildet: Bearbeiten drei Personen einen Fall, ist es weniger schlimm, wenn einer wegbricht. Jedoch bindet diese Teamarbeit auch Ressourcen, weil man sich laufend abstimmen muss.

Wie sie die Fluktuation in Zukunft senken will, möchte Vrabl-Sanda nicht beantworten. "Ich sehe Fluktuation nicht negativ – sie bedeutet, dass unsere Mitarbeiter als kompetent erachtet werden." Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Die Abwanderung hemmt die Arbeit der Behörde: Fällt ein Staatsanwalt weg, verteilt sich nicht nur dasselbe Arbeitspensum zumindest vorübergehend auf weniger Beschäftigte, es verpufft auch viel Energie dadurch, dass sich jemand neu in die oft umfangreichen Akte einarbeiten muss.

Dazu kommt, dass die WKStA ohnehin um neue Mitarbeiter ringt: 40 Staatsanwälte sollten hier am Werk sein, es sind derzeit aber nur 29 – man findet schlicht niemanden. Da es nicht gelingt, neue Kräfte anzuziehen, fährt die Behörde den Kandidaten sozusagen hinterher: Im Sommer will die WKStA probeweise eine Außenstelle in Graz einichten. Nicht, weil dort so viel Arbeit warten würde – sondern deshalb, weil es dort hochqualifizierte Kandidaten gebe, die nicht nach Wien übersiedeln wollen.

Erste Ergebnisse im Salzburger Finanzskandal

Mehrere politisch brisante Verfahren sollen im Jahr 2015 abgeschlossen werden, also entweder in eine Anklage oder in eine Einstellung der Ermittlungen münden. Dazu zählen zwei Einzelkomplexe des Salzburger Finanzskandals, aber auch Teile der Causa Baukonzern Alpine: Der Akt zur größten Firmenpleite seit 1945 umfasst allein 800 Aktenordner und hält fünf Staatsanwälte auf Trab. (Maria Sterkl, derStandard.at, 18.2.2015)