Bild nicht mehr verfügbar.

Scharfschützen haben sich vor einem Antiüberwachungsgraffiti in Paris positioniert, um Teilnehmer des Trauermarschs zu beschützen.

Foto: APA/EPA/Laurent

Es war ein Anschlag auf die Freiheit: Terroristen ermordeten in Paris 17 Menschen, darunter gezielt Journalisten und Juden. Um solche Attentate zu verhindern, bräuchten Sicherheitsbehörden mehr Daten, argumentierten daraufhin Europas Innenminister, die in Paris zu einer Sitzung zusammenkamen. Aus Österreich nahm Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) teil, die genau wie ihr deutscher Kollege Thomas de Maizière (CDU) bereits in den Monaten zuvor eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung (VDS) gefordert hatte. Eine US-amerikanische Kommission kam zuvor zu dem Ergebnis, dass es auch für die NSA keine Alternative zur "bulk collection" gebe.

Höchstgerichte zeigen Grenzen auf

Bei diesem Mechanismus speichern Mobilfunker, wer wann wo wie lange mit wem telefoniert hat. Analog dazu zeichnen Internetprovider dies für E-Mails auf. Mehrere Höchstgerichte hatten die Speicherung zuvor gekippt, etwa der Verfassungsgerichtshof vergangenen Juli. Zu groß sei der Eingriff in die Privatsphäre unbescholtener Bürger. Daran hat sich nichts geändert, bekräftigte Verfassungsgerichtshofspräsident Gerhart Holzinger vergangene Woche. Frankreich speichert selbst noch Vorratsdaten. Kritiker monieren, dass dadurch keine Anschläge verhindert wurden. IT-Rechtsanwalt Lukas Feiler verweist etwa darauf, dass Einzeltäter nicht durch Kommunikationsmuster entlarvt werden können. Auch der grüne Nationalrat Albert Steinhauser nennt die Vorratsdatenspeicherung "kein Präventionsinstrument".

Leicht umgehbar

Zudem seien Vorratsdaten in Österreich primär genutzt worden, um Delikte wie Stalking oder Zigarettenfälschung aufzuklären. Das Innenministerium hält dem entgegen, dass nach einer Tat Komplizen durch anfallende Verbindungsdaten aufgedeckt werden könnten. Allerdings speichern Provider diese Informationen für die Dauer von bis zu fünf Monaten für Rechnungszwecke ohnehin. Zusätzlich können Terroristen dem leicht entgehen, indem sie Wertkartenhandys oder Anwendungen wie WhatsApp nutzen.

Frankreich: "Konzerne verpflichten"

Das weiß auch der französische Innenminister Bernard Cazeneuve. Er will deshalb IT-Konzerne verpflichten, enger mit Strafbehörden zusammenzuarbeiten. Die Techfirmen hatten sich nach den Snowden-Enthüllungen oft juristisch geweigert, persönliche Daten ihrer Nutzer zu liefern. Für Datenschützer ist hier das Ausmaß der Infoweitergabe entscheidend. "Gezielte staatliche Überwachung muss möglich sein", sagt etwa Max Schrems, der vor dem Europäischen Gerichtshof gegen Facebook prozessiert. Er befürchtet allerdings, dass ein Hin zu mehr Überwachung erlaube, "dass Terror unsere westlichen Werte untergräbt".

ISPA: "Cameron-Vorstoß ist Aktionismus"

Tatsächlich lösten die Anschläge vom 11. September 2001 die Massenüberwachung der NSA aus, nach Attentaten in London und Madrid führte die EU 2006 erstmals die Vorratsdatenspeicherung ein. Noch weiter als damals will nun der britische Premier David Cameron gehen. Er forderte vergangene Woche ein "Totalverbot" von Verschlüsselung. Nutzer und Konzerne sollen sich nicht mehr vor staatlicher Spionage schützen können. Maximilian Schubert, Generalsekretär des Internetbranchenverbands ISPA, nennt dies einen "von der Boulevardpresse getriebenen Aktionismus".

Verschlüsselung ist essenziell

Denn eine Schwächung von Verschlüsselung würde Betriebsspionage und Cyberkriminellen Tür und Tor öffnen. Davor warnen selbst US-Geheimdienste, berichtete der "Guardian" unter Berufung auf Snowden-Dokumente. Außerdem ist unklar, wie Cameron das Verbot umsetzen möchte. Er müsste dazu Filter zwischen Großbritannien und dem restlichen Internet installieren, ähnlich der chinesischen "Großen Firewall". Das ist für politische Beobachter nahezu unvorstellbar. (Fabian Schmid, derStandard.at, 18.1.2015)