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Massive Luftschläge der französischen Luftwaffe in Mali.

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Archivfoto vom August 2012: Islamisten in Timbuktu.

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Im "Hexagone" selbst wurden die Sicherheitsmaßnahmen verschärft.

Foto: REUTERS/Eric Gaillard

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Frankreichs Präsident Hollande.

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Asiem El Difraoui.

Foto: www.swp-berlin.org

Seit am Wochenende französische Truppen in den Krieg zwischen der malischen Zentralregierung und islamistischen Rebellen eingegriffen haben, geht in Frankreich die Angst vor Vergeltung um. Schwer bewaffnete Sicherheitskräfte patrouillieren in den Gängen der Pariser Métro und anderen öffentlichen Einrichtungen.

Der Islamismus-Experte Asiem El Difraoui vom Berliner Institut für Medien- und Kommunikationspolitik hält den Nutzen möglicher militärischer Erfolge Frankreichs in Mali für kurzfristig. Im Gespräch mit derStandard.at erklärt er, warum es eine politische Lösung in dem zerrissenen Land im Westen Afrikas braucht.

derStandard.at: Was kann Frankreich mit Luftangriffen und Spezialtruppen gegen die malischen Rebellen ausrichten?

El Difraoui: Kurzfristig konnten sie den Rebellenvormarsch stoppen. Möglicherweise können sie die Rebellen auch so sehr schwächen, dass es der desolaten malischen Armee gelingt, wieder in den Norden des Landes etwa bis in die besetzte Stadt Timbuktu vorzudringen.

derStandard.at: Und langfristig?

El Difraoui: Die Franzosen werden Mali mit Luftwaffe und Spezialkräften nicht befrieden können. Im Norden des Landes sind nicht nur Dschihadisten am Werk, auch die Tuareg sind schon sehr lange mit der Regierung in Bamako unzufrieden. Falls die Dschihadisten, die zum Teil mit ihnen verbündet sind, nun besiegt werden, werden sich die Tuareg deshalb nicht mit dem Status quo zufriedengeben. Es braucht eine langfristige politische Lösung, die aufgrund der ethnischen Situation sehr schwierig ist.

derStandard.at: Schafft Frankreich das militärisch?

El Difraoui: Die Stärke der malischen Rebellen ist zum Beispiel nicht mit der libyschen Armee unter Muammar al-Gaddafi zu vergleichen. Alleine Frankreichs Luftüberlegenheit kann einen Unterschied machen. Erstaunlicherweise hat Algerien nun den Franzosen den Überflug genehmigt, nachdem die algerische Presse die Militäraktion scharf verurteilt hatte. Die Franzosen wollen aber keinen langen Krieg führen. Was sie tun können, ist, den Afrikanern und den Maliern selbst entscheidende Unterstützung zu geben.

derStandard.at: Wollten die Islamisten tatsächlich die Hauptstadt Bamako erobern?

El Difraoui: Das Risiko war jedenfalls sehr hoch. Die malische Armee ist nach ihrem eigenen Staatsstreich vom vergangenen Jahr nicht mehr in der Lage, überhaupt irgendetwas zu verteidigen. Als die Rebellen Konna eroberten, war der Weg nach Bamako frei. Das war der Schlüsselmoment für die Franzosen, um einzugreifen, ähnlich wie 2011 die Bedrohung der libyschen Stadt Benghazi durch die Gaddafi-Truppen.

derStandard.at: Wie gut sind Frankreichs Geheimdienste in Mali aufgestellt?

El Difraoui: Natürlich beobachtet besonders Frankreich diese Region sehr genau. Die Situation in Mali beunruhigt viele Staatskanzleien in Europa ja schon seit einigen Monaten. Der Norden, wo die Tuareg leben, ist ein alter Kreuzungspunkt der verschiedensten Schmugglerrouten, von Drogen über Waffen bis zu Menschen. Al-Kaida im Islamischem Maghreb ist für die Tuareg auch deshalb als Alliierter attraktiv, weil es über Schmuggel und Geiselnahmen relativ viel Geld einnimmt und so den Geldstrom aus Libyen aufwiegen kann, der seit dem Tod Gaddafis versiegt ist.

derStandard.at: Worin bestehen Frankreichs Interessen in Mali?

El Difraoui: Einerseits ist der Einsatz eine Fortsetzung der traditionellen französischen Afrikapolitik, in der sich Paris Einflusssphären bei den ehemaligen Kolonien sichern möchte. Zweitens leben sehr viele Franzosen in Mali und den frankophonen Nachbarländern, und Frankreich will verhindern, dass noch mehr Geiseln genommen werden. Außerdem droht durch eine Destabilisierung des Niger ökonomischer Schaden für Frankreich. Französische Atomfirmen, etwa Areva, haben großes Interesse an den nigrischen Uranminen.

Und viertens will Frankreich so wie andere westliche Länder verhindern, dass sich in Mali ein islamisches Emirat breitmacht und Dschihadisten in einem "gescheiterten Staat" offen Fuß fassen. Die Luftangriffe werden jetzt nicht alle Dschihadisten vertreiben, aber sie könnten doch erreichen, dass die Islamisten keine permanenten Basen mehr in Mali errichten können. Das konnte die malische Armee nicht mehr durchsetzen.

derStandard.at: Verhindert oder beschleunigt der französische Einsatz die Auflösung des malischen Staates?

El Difraoui: Die Kernfrage ist: Wie kann man die ethnischen Konflikte im Norden lösen? Wie kann man die zum Teil legitimen Forderungen der Tuareg erfüllen? Früher hat Gaddafi zwischen Bamako und den Tuareg vermittelt und ihnen Geld, Waffen und Beschäftigung gegeben, um sie ruhigzustellen. Nach dem Ende Gaddafis fanden sich die Tuareg politisch und finanziell geschwächt, hatten aber leichten Zugang zu Waffen. Darum haben sie sich dann mit verschiedenen dschihadistischen Bewegungen verbündet. Ohne die Hand zu den verhandlungswilligen ethnischen Gruppen im Norden auszustrecken, lässt sich der Konflikt nicht lösen.

derStandard.at: Wie hoch ist das Risiko für Frankreich?

El Difraoui: Es ist kein Spaziergang. Die Franzosen haben auch schon Leute verloren. Wie gefährlich es wird, hängt davon ab, wie viele Bodentruppen entsandt werden. Auch die Unterstützung durch die westafrikanische Gemeinschaft ECOWAS gehört dazu. Die französische Armee ist Presseberichten zufolge überrascht, über welch moderne Waffen die Rebellen verfügen und wie gut sie trainiert sind. Wir sprechen nicht bloß von ein paar alten Kalaschnikows, sondern von Artillerie und Granaten aus Gaddafis Arsenalen.

derStandard.at: Wie vernetzt ist Ansar Dine in Europa? Wie hoch ist die Gefahr, dass Terroristen in Frankreich Anschläge verüben?

El Difraoui: Die malischen Islamisten scheinen nicht so stark vernetzt zu sein wie Al-Kaida im Islamischen Maghreb, das vor allem aus Algeriern besteht. AKIM wollte schon immer Terroranschläge in Frankreich durchführen, was ihnen aber bisher nicht gelungen ist. Hätten sie die Kapazitäten dafür, hätten sie schon längst zugeschlagen. (Florian Niederndorfer, derStandard.at, 14.1.2013)