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Die Regierung hat am Dienstag im Ministerrat die Einführung einer in der Verfassung verankerten Schuldenbremse beschlossen. Mit dieser soll nach deutschem Vorbild ab 2017 das strukturelle Defizit 0,35 Prozent des BIP nicht überschreiten. Der Abbau des Schuldenberges auf unter 60 Prozent des BIP ist in dem Entwurf nicht explizit erwähnt. Nach den Worten von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) müssen, um die Vorgaben der Schuldenbremse zu erfüllen, bis 2020 jährlich etwa zwei Mrd. Euro an strukturellem Defizit abgebaut werden. Mit der Schuldenbremse soll Österreichs Triple A-Status aufrecht erhalten werden (derStandard.at berichtete).

Das bedeute natürlich Einsparungen. Diese sollen bei der Verwaltung so wie bei den Frühpensionen erfolgen. Geht es nach der SPÖ, soll es aber auch durch Vermögenssteuern zu mehr Einnahmen kommen.

Die heute von der Regierung beschlossene Schuldenbremse hat viele Väter, vor allem schwarze. Vor dem Ministerrat am Dienstag beanspruchten mehrere ÖVP-Vertreter die Idee für sich. Sowohl Vizekanzler Michael Spindelegger als auch Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und Klubobmann Karlheinz Kopf meinten, sie hätten die Einführung einer Schuldenbremse schon vor Wochen, wenn nicht Monaten gefordert.

IHS-Chef Felderer ist "beeindruckt"

IHS-Chef Bernhard Felderer hat sich vom Beschluss der Regierung über eine "Schuldenbremse" am Dienstag "sehr beeindruckt" gezeigt. Die Entscheidung sei "überraschend schnell gegangen, man muss gratulieren", sagte er. Die Regierung habe Handlungsfähigkeit demonstriert, meinte er.

Diese Maßnahme werde Österreich sehr nützen, sollte "der Sturm, der derzeit über Südeuropa bläst, auch andere Länder erfassen". Das Vertrauen, das damit geschaffen werde, sei ein "riesiges". "Das geplante Gesetz ist ein wichtiger Meilenstein für Österreich, um immun gegen Finanzmarktspekulationen zu werden, ich bin begeistert." Das einzige Problem ortet der Experte darin, dass die Opposition zustimmen muss. "Ich hoffe, dass das auch geschieht und die Opposition erkennt, dass sie Verantwortung hat", sagte er.

Die Regelung, dass das strukturelle Defizit ab 2017 nur mehr 0,35 Prozent des BIP betragen darf, sei eine "sehr strikte Regel", analog zu jener Deutschlands. Richtig sei auch, dass das bei außergewöhnlichen Situationen wie Naturkatastrophen oder Wirtschaftskrisen ausgesetzt werden kann. Diese Regel entspreche ebenfalls dem deutschen, aber auch dem schweizer Modell.

Unterstützung von Nowotny

Auch der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB), Ewald Nowotny, hat die geplante Einführung einer Schuldenbremse begrüßt. "Dies stellt einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Stabilität der Staatsfinanzen und einer gestärkten Glaubwürdigkeit der Fiskalpolitik dar", wurde Nowotny in einer Aussendung zitiert. Als "entscheidend" für die Wirksamkeit der Schuldenbremse bezeichnete er, dass auch Länder und Gemeinden erfasst werden.

Unterstützung von der Opposition

Um die Schuldenbremse auch tatsächlich in der Verfassung verankern zu können, brauchen die Regierungsparteien die Unterstützung der Opposition. Die Grünen zeigen sich diskussionsbereit und das BZÖ könnten einen entsprechenden Beschluss im Parlament aber mittragen, die FPÖ zeigte sich nach positiven Signalen ablehnend. Faymann und Spindelegger richteten am Dienstag einen Appell an die Opposition, dem Vorhaben zuzustimmen. Sie wünschen sich eine möglichst breite Zustimmung. Ein einstimmiger Beschluss aller fünf Parlamentsparteien "wäre das schönste Signal", so Faymann im Pressefoyer nach dem Ministerrat. Die Oppositionsparteien kündigten bereits an, ihre Zustimmung an diverse Bedingungen zu knüpfen.

Schwierige Verhandlungen mit den Ländern

Spindelegger verwies darauf, dass aus der Opposition selbst Forderungen nach einer Schuldenbremse gekommen sind. Viel schwieriger könnten die Verhandlungen mit den Ländern werden, die der Schuldenbremse ebenfalls unterworfen werden sollen. ÖVP-Klubobmann Karlheinz Kopf zeigte sich am Dienstag vorerst noch optimistisch und verwies auf positive Signale aus Vorarlberg. Was die Opposition betrifft, hofft auch er auf die Zustimmung aller drei Parteien. Er appellierte an die Grünen, den Ernst der Lage zu erkennen.

Was die konkreten Einsparungen betrifft, die in Folge der Schuldenbremse auf die Österreicher zukommen, blieb die Regierungsspitze weiterhin vage. Man werde sich alle Bereiche anschauen und sowohl ein- als auch ausgabenseitig Maßnahmen setzen, sagte Faymann. Er bezeichnete die Schuldenbremse als "ausgesprochen notwendige" Maßnahme. Man könne zwar Italien und Ungarn nicht direkt beeinflussen, "aber im eigenen Land dafür sorgen, die Schulden herunter zu bringen".

Spindelegger: "Konsequenzen für viele Jahre"

Die Schuldenbremse und das daraus resultierende Sparpaket bringen Konsequenzen für viele Jahr mit sich, sagte Spindelegger. Die Sorge, dass das Vorhaben zu ambitioniert ist, und man die Schulden so schnell nicht abbauen wird können, wies Spindelegger zurück. Die Regierung sei ständig aufgefordert worden etwas zu tun, daher solle man jetzt nicht meckern. "Lasst uns arbeiten."

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sagte, dass es Sparmaßnahmen in allen Bereichen, etwa in der Verwaltung und bei Förderungen, geben wird müssen. Er räumte aber ein, dass es nach dem letzten Sparpaket, das bei den Familien einiges an Kürzungen gebracht hatte, es in diesem Bereich jetzt schwierig werde, weiter zu sparen. Für die SPÖ betonte Staatssekretär Andreas Schieder, dass es neben strukturellen Einsparungen und Maßnahmen gegen Frühpensionierungen auch zusätzliche Vermögenssteuern geben solle.

Pensionserhöhungen verteidigt

Was die gestern ausverhandelten Pensionserhöhungen betrifft, wurde die Ausweitung des Alleinverdienerabsetzbetrages von Faymann und Spindelegger trotz des bevorstehenden Sparkurses verteidigt. Faymann argumentierte damit, dass die Pensionserhöhungen in dem vorgesehenen Rahmen einer Inflationsabgeltung von 2,7 Prozent bleiben. Der Alleinverdienerabsetzbetrag für Paare, die keine Kinder (mehr) zu betreuen haben, war im Zuge des letzten Sparpakets gestrichen worden und nach Protesten bis zu einer gewissen Einkommensgrenze wieder eingeführt worden. Gestern wurde diese Grenze ausgeweitet.

37 Tagesordnungspunkte

Auch sonst hat sich die Regierung für ihre dieswöchige Sitzung viel vorgenommen. Insgesamt harren 37 Tagesordnungspunkte der Erledigung - von der Beamtendienstrechtsnovelle über das Sicherheitspolizeigesetz und den "Generationen-Scan" bis zu Anpassungen im Finanzausgleich. Grund dafür: Gesetze, die mit 1. Jänner 2012 in Kraft treten sollen, müssen spätestens am Dienstag durch den Ministerrat, wenn sie noch auf regulärem Weg das Parlament passieren sollen.

Debatte über Budgetbegleitgesetz

Die Sitzung des Nationalrats beginnt aufgrund eines Verlangens der FPÖ mit einer Aktuellen Stunde zum Thema "Kinderschutz statt Täterschutz, Frau Justizminister!". Daran schließt sich eine Aktuelle Europastunde, unter dem von der SPÖ vorgeschlagenen Titel "Die besten Chancen für Europas Jugend – Beschäftigung als Schlüssel". Es folgt die Debatte über das Budgetbegleitgesetz. (APA)