Frühlingssalat mit Schaffrischkäse, bei unserem Besuch im Gasthaus zum Grünen Baum noch jahreszeitlich passender

Fünf Gänge, Wein, Apfelsaft, Wasser, Kaffee: 64,70 Euro.

Foto: Harald Fidler

Das hausgemachte Wildbratwürstel, eine Pracht

Foto: Harald Fidler

Bärlauch-Spinatknödel, soll gut gewesen sein

Foto: Harald Fidler

Nichts für schwache Esser: zweimal Lamm, zweimal gut, mit den angebratenen Gnocchi

Foto: Harald Fidler

Palatschinken, angenehm unsüß

Foto: Harald Fidler

Könnte bitte jemand den Weißen Adler in Königstetten wieder aufsperren? Nicht, dass die Gegend hier gastronomische Wüste wäre. Wäre halt gerade die Zeit, unter den Kastanien zu sitzen, die Gaststube und vielleicht die Küche kann man ja dann im Herbst ein bisschen entstauben, die Klos möglicherweise schon ein bisschen früher. Kein Gigi in der Küche nötig, vielleicht ein bisschen mehr Küche, als die übrigen Etablissements im Ort so anbieten. Wobei - vielleicht sollte ich doch einmal dort reinschauen.

Ziemlich genau zehn Jahre oder elf oder so ist es her, dass Georg Kruder aus Zistersdorf nach nochmal so langer Pacht den Weißen Adler kaufen wollte, haben wir uns erzählen lassen. Ziemlich genau so lang ist es her, dass der Besitzer, jedenfalls der damalige, beim Vertragsabschließen dann doch ein Stück mehr wollte als ausgemacht. Ziem - ach, das kennen Sie jetzt schon: Kruder dankte, kochte ein Jahr bei den Sodomas, zog zurück in seine Heimat Zistersdorf (weg von jener seiner Frau, die kommt aus Tulln). Und führt dort seither das Gasthaus zum Grünen Baum. Schön für Zistersdorf, weniger schön für Fidler.

Ölsterrreich

Zistersdorf ist ein eigenwilliger Ort. Erstens liegt es doch überraschend weit von Königstetten, Zeiselmauer, Langenlebarn, Tulln, Weinzierl und sogar von Stockerau. Zweitens ist Zistersdorf nicht unbedingt eine Stadt, die Liebe auf den ersten Blick hervorruft. Drittens kann man genau hier deutsche Gastarbeiter (und Mitesser) mit Hang zur Weltpolitik gewaltig damit überraschen, dass Österreich ein Ölförderland ist (Diese Zugereisten wollen halt dann gleich den Bürgermeister zu moderatem politischen Auftreten mahnen, um ihm ein Bombardement zu ersparen). Viertens geht man in diesem Ort samstags eigentlich nicht essen. Sagt Angelika Kruder. Fünftens:  Hier ist es offenbar nicht so üblich, dass Frauen Vornamen haben - auf der Website des Grünen Baums findet sich jener von Frau Kruder eigentlich nur unter den Links zu A la Carte und Gault Millau (wenn ich da nichts übersehen habe). Sagen Sie jetzt nicht: Aber die Vegetarierin hat doch bei Schmeck's auch keinen Namen! - Die besteht auf ihre Anonymität.

Keller statt Kellner

Samstags also geht man in Zistersdorf nicht essen, sondern sitzt im eigenen Weinkeller und tschechert sich im Kreise der Lieben an. Dagegen ist ja nichts Gröberes einzuwenden. Aber wenn man a) keinen Weinkeller in Zistersdorf hat (wär ja auch bisserl weit für Durst in Tulln) und b) samstags in Zistersdorf von Herrn Kruder bekocht werden will, dann hat man Pech. Wie ich beim ersten Anlauf.

Man hat allerdings auch Pech am Sonntagabend. Wie ich beim zweiten Anlauf zum Grünen Baum. Auch am Donnerstagabend. Wie ich beim dritten Versuch. Man kann auch Pech am Freitagabend haben, Sie können selbst bis vier zählen: Da ließ man den Fidler nämlich wegen eines Kochkurses nicht in die Nähe von Zistersdorf. Gut, Kochkurs, klar: Man kann die Leute ja samstags in ihren Weinkellern nicht geschmacklich verkommen lassen, wenn sie auf sich allein gestellt sind.

Ja: Logorrhoe ist auch schriftlich eine ernstes Leiden!

Kruders können beim Kochen wirklich helfen, schätze ich ohne Kochkurs, aber nach Kostkurs. Womit wir bei aller Logorrhoe doch endlich beim Essen wären. Ein bisschen wie Heimkommen, der Grüne Baum. Ein Sodoma wie damals, wollte ich jetzt schon dichten, aber das klingt, als ob's mir heut im Gasthaus zur Sonne in Tulln nicht schmecken tät. Und der sauber bepreiste Maibock letztens bei Sodomas, die Spargelvinaigrette, der hausgebeizte Saibling... Egal, wir sind in Zistersdorf, Fidler! Endlich!

Frühlingssalat signalisiert nun: Auch schon ein paar Tage her, Fidlers hier beschriebener Besuch in Zistersdorf. Frühlingssalat mit Mohnöl, Spargelessig, Biospargel aus Marchegg und Schaffrischkäse, aber ohne die Möglichkeit einer Hühnerbrust, die eigentlich mit dem Frühlingssalat auf der Karte stand. Sie ahnen, wer dagegen war. Wenn nein: die Vegetarierin. Frühlingssalat auch ohne Brust frisch, fein, gut. Aber natürlich nix gegen mein - laut Karte aus Weinviertler Hirsch, Reh und Wildschwein - hausgemachtes Wildbratwürstel auf schönem Kraut und Erdäpfelschmarrn. Yeah, wie man in Zistersdorf sagt.

CSI Gemüse

Die CSI Gemüse verrät wieder besonders klar das Datum des Besuchs: Der Bärlauch-Blattspinatknödel kam gut an, ich hab den Grünknofel ja rasch durch zu seinen Hochzeiten. Auf Paradeiser-Zucchinigemüse lag er, und schien sich recht wohl zu fühlen. Aber, sagt der Fleischfresser: Gewaltig in Menge und Geschmack das Lamm. Aus dem Donauland, sagt die Karte. Geschmorte Schulter und rosa gebratenes Kotelett, mit Belugalinsen und Erdäpfelnockerl. Bis Zistersdorf also reicht das Anbrat-Dreieck!

Als freimütig bekennender Dilettant will ich jetzt nicht behaupten, dass dieses Anbraten in Tulln erfunden wurde (und nicht etwa in Italien, Frankreich, Burgenland oder Schweden). Wir wissen nur soviel: Gerti Sodoma vom Gasthaus zur Sonne markiert den Ausgangspunkt unseres gerade entdeckten Dreiecks angebratener Gnocchi: Tulln (Sodoma)- Weinzierl (Böhm) - Zistersdorf (Kruder). Hier werden die Erdäpfelgnubbel gern scharf behandelt. In der Form hatte ich sie eigentlich schon länger nicht mehr in Tulln, fällt mir da ein.

Fidler isst Dessert!

Zurück nach Zistersdorf, für ein geradezu außerirdisches Ereignis. Sie können jetzt natürlich einwenden, die Vegetarierin wäre nach zwei mageren Gängen noch hungrig gewesen (hätt sie die Hühnerbrust genommen, ich sag's ja!). Die gewohnt dilettantischen Fotos widerlegen das vermutlich. Sie erklärt ihr Tun ja selten, aber ich vermute: Sie schöpfte aus zwei Gängen großes Vertrauen in Herrn Kruders Können und wollte mehr, wiewohl der ja freundlicherweise nur die Gnocchi anbrät. Kurzum: Frau Grün bestellte Nachspeis. Palatschinken. Mit hausgemachter Zwetschkenmarmelade.

Sie köderte mich mit: nicht süß (und meinte ausnahmsweise nicht mich)! Und sie hatte - soweit eine bezuckerte Palatschinke mit Zwetschkenmarmelade nicht süß sein kann - recht. Eine Pracht. Ob da heuer noch Platz für einen Marillenknödel aus Tulln ist?

Platz für ein wiederbelebtes Wirtshaus in Königstetten wäre jedenfalls noch. Die Sache mit dem Weißen Adler, bitte! Kastanien und so. Danke.