Roland M. Kreutzer.

Foto: Privat

Im letzten Blog-Beitrag ging es um die Finanzierung heimischer Medien durch Onlinewerbung. Die Diskussion dazu im Forum war aber schnell bei der Frage, ob man Werbung überhaupt noch braucht. Und weil das im Forum schwer abzuhandeln ist, schicke ich in diesem Monat einen Beitrag nach, der sich mit dem Thema beschäftigt - danke auch an alle Postings dazu. Also: Brauchen wir Werbung überhaupt?

Dazu müssen wir einmal festhalten, für wen wir die Frage stellen. Beginnen wir beim einfachsten Teil, bei den Onlinemedien. Sie empfangen das Geld, finanzieren damit das Web-Angebot und stellen als Gegenleistung Platz für Werbung zur Verfügung, die die Leser einer Website erreichen kann. "Platz und etwas Störung gegen Geld für tolle Inhalte" ist der Deal. Und die Konsequenz aus dem Wegfallen der Werbung wäre, dass mehr Platz zur Verfügung steht - viel mehr, denn der Inhalt wäre mangels Finanzierung dann auch weg. Alle realistischen Versuche, Geld auf andere Art aufzustellen, scheiterten: Abos werden nicht bezahlt oder Abhängigkeiten so groß, dass der Inhalt nicht mehr frei von Einflüssen ist (d.h. Abhängigkeiten steigen sogar, wenn Werbegeld knapper wird!). Für Medien ist die Sache klar: Werbung braucht es ganz sicher.

Hersteller und Händler brauchen Werbung und Marken

Gehen wir auf die andere Seite zum Hersteller oder Händler: Braucht die Wirtschaft Werbung? Kunden können doch ohnehin nach Produkten googeln und sich die Informationen holen, die sie brauchen. Doch das ist nicht einmal die halbe Wahrheit. Selbst bei Produkten, die man rational bewertet, bevor man sie kauft, sind viele der Entscheidungsfaktoren eben nicht rational. Man kauft die "Mobilität einer glücklichen Familie", nicht das "Familienauto". Man nimmt nicht "Kredit für Wohnfläche" auf, sondern sorgt dafür dass man "Stolz auf herzeigbare eigene vier Wände sein kann". Und noch dazu kauft man eher bei bekannten, seriösen Anbietern - was inhaltlich logisch ist, aber auch nur ein Ergebnis von Werbung ist.

All das ist bei Produkten noch viel stärker, bei denen es keine aktive Kaufentscheidung gibt. Milch, Brot, Kaugummi und Co. nimmt man einfach so aus dem Regal, allerdings mit der Vorarbeit aus der Werbung: Die neue trendige Sorte, das gute Gefühl gesunder Bio-Ware etc. haben wir ohne lang zu Denken vorgemerkt und greifen dann "automatisch" ins richtige Regal.

Hersteller und Händler brauchen Werbung also, damit ihre Produkte auch abgesetzt werden - ob im aktiven Prozess der Entscheidung bei meist teuren Produkten zB. zur Bestätigung oder ob im passiven Bereich zur Emotionalisierung und Differenzierung. Marktwirtschaft mit dem Spiel von Angebot und Nachfrage optimiert sich auch durch die Werbung. Besondere Qualität und Funktion kann insbesondere im zweiten Bereich nur durch Werbung überhaupt vom Konsumenten erkannt und so überhaupt relevant werden.

Und User? Brauchen die Werbung?

Das kommt ganz auf die Frage an. Bei "stört Sie Werbung?" antwortet die Mehrheit mit "ja" und bestätigt damit (wie in allen Mediengattungen analog zur Nutzungsintensität - im Internet also sehr stark) die Werbewirksamkeit. Auf die Frage "Wie soll diese Website finanziert werden" sind es regelmäßig nur rund 4%, die nicht die Werbung als Geldgeber wünschen. Das bekundete Interesse an Werbung ist dabei interessanterweise nach Selbstauskunft sogar weiterhin hoch, wenn man sich die Details ansieht, wirkt Werbung für User auch als erwünschte Informationsquelle und Kaufanreiz. Das Wichtigste aber ist: Klassische Werbung finanziert die Inhalte und nimmt keinen Einfluss darauf. Alle Alternativen würden entweder den Inhalt beeinflussen oder Geld vom User brauchen - wobei Zweiteres von der Umsetzung her sogar fraglich ist.

Gerecht und gut für alle

Noch etwas abgehobener und abstrakter kann man auch feststellen, dass die Marktwirtschaft, die Werbung braucht, gut für uns ist - die immer raschere Entwicklung hin zu besseren Produkten, die man sich auch leisten kann und die breit verfügbar sind, ist eine Folge der Möglichkeiten des Marktes. Marketing und Werbung ist Teil davon, sichert uns die Vorteile dadurch und hat abseits des obengenannten direkten Nutzens daher Berechtigung. Für eine solch globale Darstellung ist das AdBlog aber nicht der richtige Ort. ;-)

Mein Fazit ist also: Ja, wir brauchen Werbung. Und zwar alle Beteiligte - Medien und Handel genauso wie Konsumenten. Und nach einer Maßeinheit, die in Österreich gilt, dürfte das Spiel der Beteiligten aus ausgewogen sein: Marken raunzen über die hohen Werbekosten, Medien über die geringen Einnahmen und User über die Belästigung. Da alle gleich raunzen, dürfte sich der Markt in Balance befinden und für alle gerecht sein. Oder?

PS: Kein Posting meinerseits ohne Hinweis auf das gratis Fussball-Logo unter wmlogo.at für alle, die eine Alternative für die sorgenfreie Werbung suchen. So also auch hier ;-) (Roland M. Kreutzer/derStandard.at, 16.6.2010)