Eine Arztpraxis mit zwei wartenden Patientinnen.
Von den 100 von der Bundesregierung angekündigten neuen Kassenordinationen sind derzeit vier in Betrieb – darunter eine Praxis für Dermatologie in Bludenz (Vorarlberg), eine für Allgemeinmedizin in Eugendorf (Salzburg) und eine für Augenheilkunde in Gänserndorf (Niederösterreich).
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Die türkis-grüne Bundesregierung unter Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat im Vorjahr angesichts der Herausforderungen im Kassenarztsystem angekündigt, neue Stellen zu schaffen. Insgesamt sollten nach dem Plan des Bundes vorerst 100 neue Stellen ausgeschrieben werden. Händeringend gesuchten Ärztinnen und Ärzten in den Fächern Allgemeinmedizin, Kinderheilkunde und Gynäkologie wurde eine Bewerbung für eine Kassenstelle auch damit schmackhaft gemacht, dass sie für die Ersteinrichtung der Praxis Anspruch auf einen Starterbonus in Höhe von bis zu 100.000 Euro haben. Die Besetzung geht aber nicht so schnell vonstatten, wie es der Bund avisiert hat: Denn ursprünglich sollten die Stellen bereits bis Ende 2023 geschaffen werden.

Von den geplanten 100 neuen Stellen wurden bisher 70 ausgeschrieben und vergeben, wie die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) auf STANDARD-Anfrage mitteilt. Ausgeschrieben wurden Stellen in jenen Regionen, "wo aufgrund unserer Interessentensuche mit einer Besetzung zu rechnen war". Das bedeutet allerdings nicht, dass in diesen Praxen bereits überall ordiniert wird. "Natürlich müssen sich die Bewerber erst Praxisräume und Personal suchen, sodass eine unmittelbare Besetzung nach der Ausschreibung nicht möglich ist", heißt es vonseiten der ÖGK.

30 Ausschreibungen im Lauf des Jahres

Aktuell sind vier neue Praxen bereits in Betrieb, mit der Eröffnung von sieben weiteren Ordinationen wird Anfang Juli gerechnet. Das bedeutet also, dass bis in einer Woche erst elf der angekündigten neuen Kassenordinationen in Betrieb sind. Insgesamt hat es laut ÖGK konkrete Bewerbungen für 63 Stellen gegeben. "Der Großteil der bereits vergebenen Planstellen wird erst im Herbst eröffnen." 30 neue Kassenarztstellen aus dem Plan der Bundesregierung wurden noch gar nicht ausgeschrieben: Das soll "sukzessive im Laufe des Jahres" erfolgen. 50 der 100 neuen Kassenstellen sind für Allgemeinmedizin, Kinderheilkunde und Innere Medizin vorgesehen, die andere Hälfte für Gynäkologie, Psychiatrie, Augenheilkunde sowie Haut- und Geschlechtskrankheiten.

Die Wiener Ärztekammer begrüßt grundsätzlich die Initiative des Bundes, österreichweit für 100 neue Kassenarztstellen zu sorgen. Die Maßnahme sei aber "nur ein Tropfen auf den heißen Stein", wie es auf Anfrage zum STANDARD heißt. So sind allein in der Allgemeinmedizin aktuell 34 Kassenstellen in Wien unbesetzt. Die Wiener Kammer fordert daher die Ausweitung des Starterbonus auf alle offenen Kassenstellen. Zudem sind in Wien weitere 86,5 bereits vergebene Kassenstellen für Allgemeinmedizin noch nicht aktiv in der Versorgung, "da sie beispielsweise noch keine passende Immobilie gefunden haben".

Streit um 100 weitere Kassenarztstellen

ÖGK-Obmann Andreas Huss erinnerte am Sonntagabend in der ZiB 2 auch an ein weiteres Nehammer-Versprechen, wonach darüber hinaus 100 weitere Kassenarztstellen vonseiten der Politik angekündigt wurden. "Wir haben letzte Woche leider die Absage sowohl vom Finanzministerium als auch vom Gesundheitsministerium bekommen", sagte Huss. "Es wird in dieser Legislaturperiode diese zusätzlichen 100 Stellen nicht mehr geben."

Das Bundeskanzleramt verwies in dieser Frage auf die zuständigen Ressorts. Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) meinte am Montag hingegen: "Herr ÖGK-Obmann Huss, machen Sie ihren Job! Sie bekommen 300 Millionen Euro pro Jahr aus dem Geldbörsel des Finanzministers genau für solche Aufgaben, das ist zweckgewidmet und dafür vorgesehen. Go for it!" (David Krutzler, 24.6.2024)