Das Bild eines Arztes von hinten mit Stetoskop um den Hals
Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) will, dass Spitalsärzte, die Teilzeit in einem städtischen Spital arbeiten, künftig nicht mehr als Wahlarzt tätig sein können.
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Es ist nicht das erste Mal, dass Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) mit diesem Vorschlag für Aufregung sorgt: Spitalsärzte, die Teilzeit in einem Wiener Krankenhaus arbeiten, sollen künftig nicht mehr als Wahlarzt tätig sein können. Stattdessen soll ihnen nur eine Nebenbeschäftigung im Kassenarztsystem oder in einem Primärversorgungszentrum genehmigt werden. Dieser Vorstoß eines Wahlarztverbots für Spitalsärzte wird nach Hackers Vorstellungen Teil der Verhandlungen über ein neues Personalpaket mit der Gewerkschaft sein. Resultate soll es bis Ende dieses Jahres geben. Ein Wahlarztverbot in Wien müsste jedenfalls dienstrechtlich verhängt werden.

Unterstützt wird Hackers Vorschlag von der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), auch der Wiener Patientenanwalt Gerhard Jelinek kann sich "gewisse Einschränkungen" vorstellen, um das Kassensystem und die Versorgung in den Spitälern zu stärken. Die Ärztekammer ist hingegen empört. Was spricht für Hackers Vorschlag, was dagegen? DER STANDARD stellt Argumente der Fürsprecher und Gegner gegenüber.

Einschränkung längst überfällig

Im Bereich der Wahlärzte hat in den vergangenen Jahren österreichweit ein Boom eingesetzt. Mittlerweile gibt es rund 11.000 Wahlärztinnen und Wahlärzte, das sind mehr, als es Kassenstellen gibt. Wiens Gesundheitsstadtrat Hacker sind vor allem jene Spitalsärzte ein Dorn im Auge, die Teilzeit im Krankenhaus arbeiten und nebenbei eine Wahlarzt-Ordination betreiben. Wer im öffentlichen Gesundheitssystem arbeite, sei diesem auch verpflichtet, meint Hacker. 20 Stunden im Spital und 20 Stunden etwa in einem Primärversorgungszentrum (PVE) sind demnach okay – nicht aber in einer Wahlarzt-Praxis. "Das öffentliche Spitalswesen ist kein Geringfügigkeitsjob", heißt es aus Hackers Büro.

Kassensystem stärken

Mit einem Wahlarztverbot für Teilzeitspitalsärzte werde das Kassensystem gestärkt, wird im Wiener Gesundheitsressort argumentiert. Denn aktuell müssten immer weniger Kassenärzte immer mehr Patienten stemmen. Um längere Wartezeiten zu vermeiden, würden Patienten erst recht auf öffentliche Spitalsambulanzen ausweichen. Dabei sei eigentlich das Ziel, Spitalsambulanzen zu entlassen und den niedergelassenen Bereich zu stärken.

Und noch eine Problematik streicht Hackers Büro heraus: Je weniger Ärztinnen und Ärzte Vollzeit in den Krankenhäusern des Wiener Gesundheitsverbunds (Wigev) arbeiten, desto schwieriger werde die Ausbildung der Ärzte, weil weniger Ausbildungsärzte zur Verfügung stehen. Mit dem Verbot einer Nebenbeschäftigung als Wahlarzt wird also vonseiten der Stadt auch gehofft, dass sich mehr Ärzte zu einem Vollzeitdienst im Spital verpflichten.

22 Prozent in Teilzeit

Nach Angaben des Wigev stieg die Zahl der Fachärztinnen und Fachärzte in Teilzeit zuletzt – von 17 Prozent im Jahr 2019 auf knapp 22 Prozent im Vorjahr. In absoluten Zahlen ausgedrückt waren zuletzt 399 Ärztinnen und Ärzte im Wigev in Teilzeit tätig. Wie viele davon auch eine Wahlarztpraxis betreiben und damit von einem möglichen Wahlarztverbot betroffen wären, konnte der Wigev auf STANDARD-Anfrage vorerst nicht bekanntgeben.

Noch ist unklar, ob Hacker die Einschränkungen für alle Teilzeitspitalsärzte will oder nur für jene mit zum Beispiel weniger als 20 oder zehn Stunden Arbeitszeit im Spital.

Eine Schein-Diskussion

Die Ärztekammer tritt vehement gegen die von Hacker geforderten Einschränkungen auf. Johannes Steinhart, er ist Präsident der Österreichischen und der Wiener Kammer, ortet zudem eine "vollkommen sinnlose Diskussion". So würden im Wigev nach Angaben der Ärztekammer nur rund ein Prozent (44 Ärztinnen und Ärzte) weniger als zehn Stunden arbeiten. Weitere fünf Prozent arbeiten zwischen zehn und 20 Stunden. Wie viele Ärztinnen und Ärzte potenziell von einem Wahlarztverbot umfasst wären, konnte aber auch die Kammer nicht beziffern.

"Mit solchen Zwangsmaßnahmen kann man vielleicht im Sozialismus was erreichen, aber nicht in einer offenen Gesellschaft", sagte Dietmar Bayer, Vizeobmann der Bundeskurie niedergelassene Ärzte. Er befürchtet, dass die vom Verbot betroffenen Ärzte dann die Wiener Krankenhäuser verlassen würden.

Ärztin würde Spital verlassen

DER STANDARD sprach mit der Gynäkologin Tanaz Modarressy-Onghaie, die 20 Stunden in einem städtischen Wiener Spital arbeitet sowie 15 Stunden als Wahlärztin tätig ist. Sie fährt seit knapp vier Jahren zweigleisig. "Die Entscheidung habe ich wegen meiner Familie getroffen, auch in puncto Lebensqualität ist das viel besser", sagte sie. Falls das Wahlarztverbot kommt, wäre sie eine mögliche Betroffene. "Ich bin sehr gerne Spitalsärztin und sehr gerne Wahlärztin. Aber wenn das so kommt, werde ich im Spital aufhören müssen." Sie begründet das auch mit Verpflichtungen, die an der Ordination hängen würden.

Eine Tätigkeit als Teilzeit-Kassenärztin käme für sie jedenfalls nicht infrage. "Ich genieße es, als Wahlärztin länger Zeit für meine Patientinnen zu haben."

34 Kassenstellen unbesetzt

Bei der Ärztekammer wird der Vorschlag Hackers, dass Teilzeitspitalsärzte statt der Wahlarzttätigkeit auch in einem PVE arbeiten könnten, als "unrealistisch" zurückgewiesen: Bei den meisten Spitalsärzten würde es sich um Fachärzte handeln – und PVEs seien "händeringend" auf der Suche nach Allgemeinmedizinern.

Allein in der Allgemeinmedizin sind nach Angaben der Kammer derzeit 34 Kassenstellen in Wien unbesetzt. Weitere 86,5 Stellen sind zwar vergeben, aber noch nicht "aktiv in der Versorgung" – etwa weil noch keine passende Praxisräumlichkeit gefunden wurde. (David Krutzler, 20.6.2024)