Die pharmazeutische Industrie wird dazu verpflichtet, künftig rund 700 Medikamente für vier Monate auf Vorrat zu haben. Das soll Engpässen vorbeugen. Die Industrie hegt hingegen Zweifel an der Wirksamkeit dieser Maßnahme des grünen Gesundheitsministeriums.
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Auch in der vergangenen Grippe- und Virensaison waren zahlreiche Medikamente in Österreich teils nicht verfügbar. Einen Mangel gab es etwa bei Schmerzmitteln, aber auch bei bestimmten Antibiotika, Husten- und Fiebersäften für Kinder oder Blutdrucksenkern, wie die Ärztekammer im April mitteilte. Um diesen Medikamentenengpässen vorzubeugen, wird die Pharmaindustrie nun dazu verpflichtet, ihre Lagerbestände für kritische Arzneimittel zu erhöhen. Rund 700 Medikamente müssen für einen Bedarf von vier Monaten eingelagert werden. Die Pläne von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) waren seit Jänner bekannt, nun erfolgte auch die Genehmigung der EU-Kommission für dieses Vorhaben. Die entsprechende Bevorratungsverordnung werde am Donnerstag kundgemacht. "Wir stellen damit sicher, dass es zu keinem Versorgungsengpass im Winter kommt", teilte Rauch mit.

Konkret müssen etwa mehr Medikamente gegen Erkältungssymptome, aber auch Schmerzmittel, Antibiotika sowie Präparate für chronische Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Lungenerkrankungen von der Pharmaindustrie bevorratet werden. Die Lager sollen nach Angaben des Gesundheitsministeriums in den kommenden Monaten gefüllt werden, "sodass die Medikamente bereits in diesem Winter zur Verfügung stehen". Rauch stehe diesbezüglich in intensiven Gesprächen mit den betroffenen Unternehmen. Um den vollen angepeilten Lagerbestand für vier Monate für alle angeführten Medikamente zu erreichen, hat die Pharmaindustrie aber insgesamt zehn Monate Zeit.

Auswirkungen wohl erst im Winter 2025/26 spürbar

Dass sich die vollen Lager bereits in diesem Winter ausgehen, bezweifelt Alexander Herzog, der Generalsekretär des Verbands der pharmazeutischen Industrie (Pharmig). Die Verordnung des Ministeriums sei eine gut gemeinte Maßnahme, aber "nur bedingt zielführend", wie Herzog im Ö1-Morgenjournal ausführte. Für den kommenden Winter werde sie noch keine Auswirkungen haben. "Falls es eine Auswirkung haben sollte, ob die negativ oder positiv ist, werden wir sie voraussichtlich erst im übernächsten Winter sehen." Die Produktion der Arzneimittel sei ohnehin bereits hochgefahren. Das Problem sei die Verteilung – und diese könne nur europaweit gelöst werden.

Die Kosten, die der Pharmaindustrie durch die verpflichtende Bevorratung von mehr relevanten Arzneien entstehen, können laut Ministerium auf Antrag durch das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen erstattet werden.

Als kurzfristige Maßnahme gegen die Medikamentenknappheit hat sich das Gesundheitsministerium bereits im vergangenen Winter mit dem Verband der Arzneimittelvollgroßhändler auf die Einrichtung eines Wirkstofflagers geeinigt, um relevante Arzneimittel im Notfall auch selbst in Apotheken herstellen zu können. (David Krutzler, 20.6.2024)