Die C-390 Millennium an Embraers Hauptsitz im brasilianischen São José dos Campos.
REUTERS/GABRIEL ARAUJO

Die Triebwerke rauschen über dem glühenden Asphalt. Journalisten von Flugzeugblättern machen Selfies mit der wuchtigen Maschine im Hintergrund. "Força Aérea Brasileira" steht auf dem in grün-grauem Camouflage lackierten Armeetransporter: "Brasilianische Luftstreitkräfte". Drinnen ist es, wie immer in Militärfliegern, spartanisch. Sitzbänke vom Komfort schlechterer Campingsessel, längs der Flugrichtung gegenüberliegend angeordnet; eine eher rustikale Bordtoilette, aber immerhin, es gibt eine; und diplomatisch statt militärisch formuliert könnte man sagen: ringsum "zweckmäßige" Innenverkleidung.

Als die Maschine zum Abheben ansetzt, werden die Triebwerke noch ein bisschen lauter – wieder eher diplomatisch formuliert. Starten quer zur Flugrichtung ist auch nicht so komfortabel wie etwa in der Emirates-Business-Class, aber wer wird schon die Prinzessin raushängen lassen, wenn es zum Beispiel um die Verteidigung des Vaterlandes geht. "Dieses Baby ist bereit für die nächsten 50 Jahre", sagt João Bosco da Costa Junior, Präsident der Militärsparte des brasilianischen Flugzeugbauers Embraer, über das Flugzeug. "Und wir planen, in den kommenden 20 Jahren an die 500 Stück davon zu verkaufen."

Militärisches Flaggschiff

Es ist die C-390, das neue militärische Flaggschiff Embraers, das am Unternehmenshauptsitz in São José dos Campos nahe der Millionenmetropole São Paulo im Flugbetrieb vorgeführt wird. Und auch wenn es nicht jeder Passagier dem subjektiven Reiseerlebnis anmerken würde: Die C-390 ist der aktuell modernste Militärtransporter am globalen Markt.

Dass das Flugzeug kann, was es kann – Güter zur Truppenversorgung, bis zu 80 Passagiere und Fahrzeuge von der Größe eines Pandur-Panzers transportieren zum Beispiel –, spielt nicht nur eine wesentliche Rolle für Embraer, sondern auch für die Republik Österreich. Denn: Die drei ähnlich großen Transportflugzeuge, die das Bundesheer derzeit besitzt, können das nicht. Zumindest nicht zuverlässig.

Desaster für Verteidigungsressort

Als die Terrororganisation Hamas im Oktober Israel attackierte und sich das Außenministerium wenig später entschloss, ausreisewillige Österreicherinnen und Österreicher per Evakuierungsflug aus Tel Aviv zu holen, tat man das, was man in solchen Situationen eigentlich immer tut: Man forderte per Assistenzanfrage im Verteidigungsministerium die Bereitstellung einer Hercules-Transportmaschine an.

Militärtransportertypisch: die eher spartanische Inneneinrichtung. Für die Journalistinnen und Journalisten an Bord aber kein Grund für Beschwerden – der Flug dauert nur rund 40 Minuten.
Embraer

Nur: Das weit in die Jahre gekommene und entsprechend störungsanfällige Flugzeug hob wegen eines technischen Defekts nicht ab. Im Passagierraum hatte es zu rauchen begonnen. Das Ministerium musste auf die Schnelle eine Passagiermaschine der Austrian Airlines für den Evakuierungsflug aufstellen – Verzögerung und ungeduldig werdende Passagiere im Krisengebiet inklusive. Ein peinliches Fiasko für das Außenministerium. Ein Desaster für das Heeresressort.

Vertrag ante portas

Glück im Unglück für Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP): Inmitten all der schlechten Presse konnte sie zumindest darauf verweisen, sich um eine Lösung der technischen Lufttransportprobleme bereits gekümmert zu haben. Nur drei Wochen zuvor hatte sie entschieden, die drei Hercules-C-130-Transporter aus dem Baujahr 1967 durch drei bis vier C-390 Millennium von Embraer zu ersetzen. Kostenpunkt: 130 bis 150 Millionen Euro pro Stück. Allerdings: Bis die ausgeliefert sind, dauert es jedenfalls noch bis 2027.

Die Vertragsunterzeichnung sollte bis Mitte 2024 abgeschlossen sein, kündigte Tanner vergangenen Herbst an. Wie steht es nun, Mitte Juni, um Österreichs neue Militärjets? Man befinde sich im Endspurt, heißt es auf STANDARD-Nachfrage aus dem Verteidigungsministerium. Innerhalb der nächsten Wochen sollte alles unterschrieben sein.

Das moderne Cockpit mit großen Bildschirmen hat etwas von Oberklasselimousine. Nur doch etwas größer – und dass die Kiste fliegen kann.
Embraer

Das bestätigt auch Embraers Militär-CEO Bosco da Costa Junior im Gespräch mit dem STANDARD in São José dos Campos. "Die Vertragsverhandlungen sind im Grunde abgeschlossen." Klappt es dann mit der Auslieferung 2027? Ja, sagt er bestimmt. Auch schon im ersten Halbjahr 2027? "2027", lautet die Antwort. Ob der CEO auch Diplomat sei? "Ich bin Brasilianer."

Korruptionsverdacht minimieren

Was den Fertigungsprozess jedenfalls beschleunigt: Die Konfiguration der neuen Maschinen dürfte ziemlich genau jener der niederländischen Bestellung entsprechen. Denn Österreich wird die Beschaffung über ein sogenanntes Government-to-Government-Geschäft abwickeln. Das heißt: Formal ist der Vertragspartner des Verteidigungsressorts nicht Embraer selbst, sondern die Regierung der Niederlande. Diese Konstruktion soll Verdachtslagen hinsichtlich Korruption und potenzielle Nebenabsprachen minimieren und außerdem Synergieeffekte bei Pilotenausbildung, Wartung und Beschaffung von Ersatzteilen bringen.

Embraer, das heuer 55-Jahr-Firmenjubiläum feiert, ist mittlerweile der nach Airbus und Boeing drittgrößte Flugzeugbauer der Welt. Gut 19.000 Mitarbeiter hat das Unternehmen inzwischen, mehr als 60 Regierungen und Armeen rund um den Globus hat man bereits beliefert. Und der Hersteller setzt mit seiner C-390 gerade zu einem Lauf bei der Ausstattung europäischer Armeen an: Portugal und die Niederlande haben je fünf Stück bestellt, Ungarn und Tschechien je zwei, Österreich vier. Mit Nachahmern in der EU ist zu rechnen.

In die Ladeluke der C-390 passt ein Pandur-Panzer des Bundesheers.
Embraer

Auch zwei große Abnehmer außerhalb Europas gibt es bisher für den Militärtransporter. In der brasilianischen Heimat hat die Armee gleich 19 Stück beauftragt. Südkorea will ebenfalls mehrere Exemplare kaufen, wie viele genau, ist noch nicht geklärt. Mit weiteren EU-Staaten sei man bereits im Gespräch, sagt Bosco da Costa Junior. Schweden etwa müsse wie Österreich demnächst seine veraltete Hercules-130-Flotte ersetzen. "Da sind wir gut im Rennen", sagt er beim Rundgang durch die gigantischen Hangars, in denen die C-390 gefertigt wird. Aus dem noch unverkleideten Rumpf einer Maschine ist Hämmern zu hören. Daneben wird einer der beiden Flügel gerade von einem Roboter bearbeitet.

Interimslösung fürs Heer

Bosco da Costa Junior hatte kürzlich auf Wien-Besuch im STANDARD-Gespräch auch eine Zwischenlösung für Österreich durch sein Unternehmen in Aussicht gestellt. Denn bis zur Auslieferung der neuen Transporter in drei Jahren wird sich das Verteidigungsressort etwas überlegen müssen, will man weitere Desaster wie bei der Evakuierung aus Tel Aviv verhindern. Um weiter auf die überalterten Hercules zu setzen, ist deren Pannenanfälligkeit einfach zu groß. Im Ministerium bestätigt man dem STANDARD, an einer Interimslösung zu arbeiten. Dazu würden aktuell mehrere Varianten im Sinne einer Kosten-Nutzen-Abwägung geprüft.

Eine der möglichen Optionen wäre, dass das Heer ein oder zwei C-390-Exemplare, die Embraer für eigene Testzwecke gebaut hat, zur Zwischennutzung anmieten könnte. Wie sieht es damit aus? "Wir können das den Österreichern ohne weiteres anbieten", sagt Bosco da Costa Junior. "Bisher haben sie uns aber noch nicht gefragt." (Martin Tschiderer, 27.6.2024)