Der Anpfiff der Europameisterschaft steht kurz bevor, und in Deutschland geht die Hoffnung um: Einerseits erhofft man sich einen Erfolg der deutschen Nationalelf, die zuletzt wieder bessere Leistungen gezeigt hat, andererseits einen wirtschaftlichen Booster durch den Großevent. Letzteres könnte Deutschland gut gebrauchen, denn das Land steckt in einer Rezession und steht so schlecht da wie kaum ein anderes Industrieland.

Doch die Prognosen unterschiedlicher deutscher Wirtschaftsforschungsinstitute (IW Köln, DIW Berlin, Ifo, IWH) lauten allesamt gleich: Der volkswirtschaftliche Ausschlag nach oben wird ausbleiben. Turniere wie die EM oder WM seien gesellschaftlich sehr relevant, fielen ökonomisch in großen Volkswirtschaften aber kaum ins Gewicht, lautet der Tenor. Bereits bei der Weltmeisterschaft 2006, die in Deutschland als Sommermärchen in den Geschichtsbüchern steht, war im Endeffekt ein Nullwachstum zu verbuchen.

Fans von Deutschland jubeln über ein Tor und schwenken Fahnen
Die Fußball-Europameisterschaft 2024 in Deutschland wird für die Uefa ein Milliardengeschäft. Umstritten ist eine mögliche Steuervergünstigung für den Verband.
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Milliarden für die Uefa

Ein großer Profiteur bleibt am Ende des Tages aber definitiv übrig: die Union Europäischer Fußballverbände, kurz Uefa. Diese veranstaltet zum 17. Mal die Europameisterschaft und geht laut eigenem Budgetbericht von Einnahmen in Höhe von 2,4 Milliarden Euro aus. Das würde einen Gewinn von mehr als 1,7 Milliarden Euro bedeuten, ein ansehnlicher EM-Rekord.

Dass die Uefa mit solchen Summen rechnen kann, dürfte sich Deutschland einiges kosten lassen. Die Bundesregierung hat dem Verband 2018 ein umfangreiches Steuergeschenk versprochen, wonach vom Gewinn kaum Steuern ans Finanzamt fließen müssen, berichtet der Spiegel. Das Magazin bezieht sich auf geheime Verträge und Garantieerklärungen, die die Uefa vom Veranstalterland einfordert. Demnach würde die Uefa die Einnahmen kassieren, während die Kosten und das Risiko beim Ausrichter bleiben. Das Bundesfinanzministerium nimmt zu den Steuervergünstigungen keine Stellung, verweist auf das Steuergeheimnis.

Dabei ist eine solche Steuervergünstigung nicht neu: Bei der WM 2006 veröffentlichte die Regierung die entsprechenden Vergünstigungen für die Fifa freiwillig – daraus lässt sich laut Spiegel ableiten, dass das Steuergeschenk für die EM etwa 250 Millionen Euro betragen dürfte. Die Uefa selbst verweist auf 65 Millionen Euro, die an Steuern abgeführt werden.

Logon von de rEM mit einer Kamera
Für die zehn Städte, in denen die Spiele stattfinden, könnte das Großereignis durchaus einen kleinen wirtschaftlichen Impuls bringen. Das Bruttoinlandsprodukt wird laut Prognosen am Ende des Jahres aber nicht höher ausfallen.
APA/dpa/Jan Woitas

Liste von Verboten

Auch sonst überlässt die Uefa nichts dem Zufall. Eine Liste von Verboten ist bis ins kleinste Detail durchgetaktet. Dem Geschäftsmodell dürfe wortwörtlich nichts zu nahe kommen. Im Umfeld von Stadien oder Fanfesten dürfen Unternehmen, die keine Sponsoren sind, nicht werben. Politisch oder religiös motivierte Demonstrationen dürfen innerhalb gewisser Zonen nicht stattfinden. Sogar wie weit ein Urinal vom Boden entfernt sein muss, ist vorgegeben.

Profitierende Unternehmen

Selbstredend fiebern auch zahlreiche Unternehmen der EM entgegen. Sportartikelhersteller blicken auf gute Trikot-Verkaufszahlen. Im Handel zeigt man sich generell optimistisch, erwartet jedoch kein bahnbrechendes Zusatzgeschäft, denn von sportlichen Großereignissen profitierten meist nur vereinzelte Produktgruppen.

In der Gastronomie und vor allem bei den Brauereien sind die Erwartungen allerdings hoch. Große Fußball-Events hätten stets gezeigt, dass während der Turnierdauer mehr Bier getrunken wird als sonst in Sommerwochen üblich, heißt es beim Deutschen Brauer-Bund. Fernsehsender dürften das Gros der Werbeplätze mittlerweile verkauft haben, und auch – im Vorfeld oft sehr teure – Flugtickets sind gut gebucht.

Italien hat die EM im Jahr 2021 gewonnen – die Squadra Azzurra wird alles daran setzen, den Titel zu verteidigen.
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Nullsummenspiel

Zahlt sich das Spektakel also für Deutschland aus? Wie eingangs erwähnt glauben Wirtschaftsforscher nicht daran. Zwar werden rund 650.000 Fußballfans aus dem Ausland erwartet, die zweifelsohne den Konsum ankurbeln, doch gleichzeitig kommt es zu Verdrängungseffekten. Andere Touristen würden während des Turniers wegen hoher Hotelpreise fernbleiben, und Zimmer könnten schließlich auch nur einmal vergeben werden, meint etwa Konjunkturexperte Michael Grömling vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.

Dass von der einheimischen Bevölkerung große wirtschaftliche Impulse ausgehen, bezweifeln Ökonominnen und Ökonomen ebenso. Teilweise würden die Leute mehr Geld ausgeben – etwa für Tickets, Essen und Getränke beim Public Viewing, einen neuen Fernseher oder Snacks, wenn man Freunde zum Fußballschauen einlädt. Dafür kürzen sie ihre Ausgaben anderswo. Unterm Strich bleibe es ein Nullsummenspiel, zumindest monetär.

Psychologische Effekte

Psychologische Effekte sollten jedoch nicht unterschätzt werden, meint Grömling. Ein sportliches Großereignis könne die Stimmung aufhellen und das Image des Gastgeberlandes verbessern. Eine aus sportlicher und organisatorischer Sicht erfolgreiche EM mache den Standort attraktiver. Zumindest eine emotionale Rendite ist für Deutschland also drin. (Andreas Danzer, 13.6.2024)