Vater, Mutter, Kind auf Zebrastreifen
Im Familienleben packen oft nicht beide Eltern gleich stark zu: In der Regel sind es hierzulande die Frauen, die wegen der Kinder ihre Berufslaufbahn einschränken – und in der Pension die Rechnung bekommen.
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Es waren Geschichten vom finanziellen Absturz, die Ingrid Korosec aufrüttelten. Vor bald 30 Jahren habe sie als Volksanwältin erlebt, wie viele Frauen die Ehe mit einer Lebensversicherung verwechselten. Denn bei einer Scheidung werde zwar das gemeinsam erarbeitete Hab und Gut geteilt, "doch auf die Pension wird dabei vergessen".

Seither kämpft die nunmehr 83-jährige Korosec, Seniorensprecherin der ÖVP, um Abhilfe – und wähnt sich knapp vor einem wichtigen Ziel. Denn was bisher als frei wählbare, jedoch spärlich angenommene Möglichkeit existiert, könnte zur Regel werden: Die Regierung ringt darum, noch vor den Wahlen das sogenannte automatische Pensionssplitting zu beschließen. Bis zu einem gewissen Ausmaß sollen Pensionsansprüche künftig addiert und halbe-halbe auf beide Partner aufgeteilt werden (siehe Infobox unten).

Spärliche Pension

Die Idee dahinter: Wer in einer Partnerschaft zugunsten der Kinder beruflich leiser tritt, soll eine finanzielle Kompensation bekommen – und das sind meistens die Frauen. Weniger als ein Fünftel der Männer mit Nachwuchs geht überhaupt in Karenz. Laut Statistik Austria arbeiten 60 Prozent aller erwerbstätigen Mütter mit Kindern unter 15 Jahren wegen Betreuungspflichten Teilzeit. Von den Vätern tun das nur drei Prozent.

Weniger Arbeitsstunden plus – daraus resultierend – geringere Karrierechancen führen zu niedrigerem Einkommen, vom Erwerbsleben bis zum Ruhestand. Mit 1409 Euro im Monat lag die durchschnittliche Alterspension von Frauen im Vorjahr um 41 Prozent unter jener der Männer (2374 Euro).

Für Paare, die ihre Ausgaben bis ins Alter ohnehin aus einer gemeinsamen Kasse bestreiten, würde ein Pensionssplitting wenig ändern – denn das Modell verteilt ja nur um, erhöht den Altersbezug aber nicht insgesamt. In den vielen Fällen einer Trennung aber erhofft sich Korosec einen starken Schutz für Frauen vor Altersmut. Dabei vertrete sie ihre Forderung gar nicht aus der Perspektive einer Frauenrechtlerin, sondern schlicht aus einer zwingenden Logik heraus: "Wenn ein Paar vereinbart, dass der eine Teil die Karriere vorantreibt, während sich der andere vorwiegend um die Kinder kümmert, ist ein Ausgleich nur fair."

Anreiz für Heim und Herd?

Doch lauert da nicht eine Falle? Schließlich lässt sich hinter der Aufteilung der Pensionsansprüche auch ein Anreiz vermuten, der Frauen erst recht im Heim und am Herd hält. Denn wer eine höhere Pension erwarten darf, ohne sich diese im Erwerbsleben erarbeiten zu müssen, könnte weniger Antrieb für eine Berufskarriere haben.

Allerdings könnte man nach dieser Logik auch die bereits bestehende Kompensation für Erziehungszeiten infrage stellen: Für bis zu vier Jahre pro Kind schreibt der Staat ein fiktives Monatseinkommen von aktuell 2163,78 Euro (zwölfmal im Jahr) gut. Außerdem ist die Argumentation nur dann schlüssig, wenn man den Menschen sehr weitblickende Berechnung unterstellt. Ob junge Frauen berufliche Entscheidungen wirklich davon abhängig machen, wie hoch ihre Pension in 35 Jahren sein wird, ist zumindest zweifelhaft.

Zäher Abtausch

In der Regierung spielen solche Einwände offenbar ohnehin keine Rolle. Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) erwartet sich vom Splitting zwar keine Wunderdinge, hat aber auch keine sachlichen Bedenken. Trotzdem zieht sich das bereits Anfang 2020 im Koalitionspakt vereinbarte Projekt nun schon fast bis zum Ende der Legislaturperiode. Angesichts von Corona und Teuerung gab es im Sozial- und Gesundheitsministerium lange andere Sorgen. Aber jetzt?

Der zähe Ablauf hängt mit einem Prinzip zusammen, nach dem Koalitionen seit jeher funktionieren: Weiß die eine Seite, dass sich die andere etwas wünscht, verlockt das zu Junktims, um gleichzeitig eigene Anliegen durchzubringen. Im aktuellen Fall drängen die Grünen auf weitere Maßnahmen zur Armutsbekämpfung. Auch dafür finden sich im Regierungsabkommen Anhaltspunkte. So haben sich die Koalitionäre vorgenommen, "bestehende Lücken" beim sogenannten Unterhaltsvorschuss zu schließen.

Kinder gehen leer aus

Dabei geht es um folgendes Problem: Zahlt ein Elternteil nicht zeitgerecht den verpflichtenden Unterhalt für ein Kind, springt der Staat ein – aber nur dann, wenn er das Geld voraussichtlich hinterher eintreiben kann. Ist das nicht zu erwarten, weil ein Vater etwa Schulden hat und/oder arbeitslos ist, schauen die Betroffenen durch die Finger. Laut einer Befragung von vor drei Jahren müssen 36 Prozent aller Kinder von Alleinerziehenden gänzlich ohne Unterhaltszahlungen oder Ersatzleistungen auskommen.

Ob ÖVP und Grüne noch rechtzeitig zu einem für beide Seiten akzeptablen Konsens finden? Zum Pensionssplitting wie zum Unterhaltsvorschuss heißt es von den Regierungsstellen: "Es wird intensiv verhandelt." (Gerald John, 12.5.2024)