Ein Baby wird beim Arzt abgehört
Das Einsatzspektrum der Kinderärzte reicht vom Neugeborenen bis zum jungen Erwachsenen. Vertreter der Zunft haben den Eindruck, das werde zu wenig honoriert.
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Die SPÖ sieht in der Entwicklung einen Beleg für den Niedergang des Gesundheitssystems: Nach Auskunft des grün geführten Gesundheitsministeriums ist die Zahl der Kinderärzte mit Krankenkassenvertrag binnen zehn Jahren von 315 (2013) auf 249 (2022) geschrumpft. Kein Wunder, dass Eltern ewig auf Termine warten müssten – sofern sie nicht beim Wahlarzt die Bankomatkarte statt der E-Card stecken wollen.

Wie konnte es dazu kommen? Schuld ist nicht etwa ein politisch verordnetes Sparprogramm, das Stellen weggefressen hat. "Man findet schlicht keine Leut mehr", sagt Peter Voitl, selbst Kinderarzt und überdies Leiter der Wiener Fachgruppe in der Ärztekammer.

Seine Erklärung setzt bei der – wie er meint – traditionell schlechten Bezahlung durch die für die "niedergelassene" ärztliche Versorgung außerhalb der Spitäler zuständige Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) an: "Die Tarife für die Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen etwa sind 30 Jahre lang nicht angehoben worden." Zwar hat sich das heuer geändert, und auch die Abgeltung anderer Leistungen wurde in der jüngeren Vergangenheit angehoben. Doch immer noch liege das Niveau unter jenem der meisten anderen Ärztegruppen, sagt Voitl.

Anderswo gibt es mehr Geld

Als Beleg zitiert der Kammervertreter die offizielle Abrechnung: So zahlte die ÖGK Kinder- und Jugendheilkundlern im Vorjahr pro Kopf 376.000 Euro. HNO-Ärzte hingegen kamen auf 451.000 Euro, Augenspezialisten auf 468.000 Euro, Orthopäden auf 587.000 Euro, Internisten auf 611.000 Euro.

Anders als Augenärztinnen mit Kontaktlinsen oder Gynäkologen mit Spiralen hätten Kindermediziner auch keine Möglichkeiten, mit Heilbehelfen etwas zu den Kassenleistungen dazuzuverdienen. Dafür verlange die Aufgabe eine ungeheure fachliche Breite, "das reicht von der Frühgeburt bis zum übergewichtigen 18-Jährigen". Weil sie bei der Ausbildung in den Spitälern ungenügend vorbereitet würden, "fühlen sich viele junge Kollegen der Herausforderung nicht gewachsen".

Dazu geselle sich der allgemeine Trend, dass viele Mediziner heutzutage lieber im Team als allein arbeiten wollten. Da biete sich an, den Hauptjob im Spital zu suchen, um nebenbei als Wahlarzt zu ordinieren, sagt Voitl. Auch das lässt sich aus der von der SPÖ zitierten Statistik herauslesen: Im gleichen Zeitraum ist die Zahl der Kinderärzte, die keinen Kassenvertrag haben, von 315 auf 426 gestiegen.

Voitl vertritt dabei eine Meinung, die in der Ärztekammer – wie er selbst sagt – keinesfalls unumstritten ist: Für ihn sind Primärversorgungszentren (PVE), die mehrere Ärzte und andere Gesundheitsberufe unter einem Dach beherbergen, das Zukunftsmodell, welches "das Beste aus beiden Welten" vereine.

Kasse sieht entspannte Lage

Die verantwortliche ÖGK verweist darauf, dass gerade die den Kindern gewidmeten PVEs ausgebaut worden seien. Gemeinsam mit der jüngsten Anhebung der Tarife für die Ärzte habe dieses Angebot die Situation mittlerweile entspannt. Laut Darstellung der Kasse waren im Oktober von österreichweit 299,5 Planstellen für Kinderheilkunde nur 14,5 unbesetzt. Demnach müsste die Zahl der auf den Nachwuchs spezialisierten Ärztinnen und Ärzte seit der Auskunft des Gesundheitsministeriums an die SPÖ von 249 auf 285 gestiegen sein.

Abgesehen davon werde die kinderärztliche Versorgung auch von Allgemeinmedizinern und in manchen Regionen (Wien, Mödling, Liezen) überdies von anderen Einrichtungen wie Ambulatorien erbracht. Weil in Wien ein finanzieller Bonus die Ausweitung der Öffnungszeiten von 20 auf 25 Stunden belohnt, würden in den Praxen nun zudem um 36 Prozent mehr Kinder versorgt als noch 2013.

Dass der Job zu mickrig bezahlt werde, wollen die ÖGK-Vertreter ebenso wenig unwidersprochen stehen lassen: Im Vergleich mit ähnlichen Freiberuflern und Ärzten in anderen Diensten kämen Kassenmediziner auf attraktive Honorare. (Gerald John, 13.12.2023)