Wien – Wer sich als Juristin oder Jurist in der Justiz für Wirtschaftsstrafrecht interessiert, "kann sich derzeit entscheiden, ob man lieber als Richter mehr oder minder auf sich allein gestellt über einen Fall entscheidet oder bei der WKStA in einem Team arbeitet und mehr verdient." Das sagt Sabine Matejka, Präsidentin der Richtervereinigung, der Austria Presse Agentur. Es sei "höchste Zeit" für eine Gehaltsanpassung bei Richterinnen und Richtern in diesem Bereich. Die derzeitige Situation führe dazu, dass viele Richter die oft anstrengenden Wirtschaftsstrafsachen entweder gar nicht übernehmen wollen oder nach ein paar Jahren wieder wechseln.

innenansicht des justizpalasts
Der Justiz fehlen Planstellen, bemängelt die Präsidentin der Richtervereinigung.
IMAGO/Martin Juen

Für einen eigenen Wirtschaftsgerichtshof plädiert Matejka trotzdem nicht. Ein solches Spezialgericht für Wirtschafts- und Korruptionsstrafsachen hätte zwar den Vorteil, dass man bei einem Neuaufbau einen entsprechenden Rahmen mit Unterstützungspersonal und entsprechender Infrastruktur schaffen könne. Allerdings blieben die Verfahren aufgrund ihrer Komplexität sehr belastend. "Bei einem allgemeinen Gerichtshof kann man die Arbeitsbelastung besser austarieren." Und eine bessere Infrastruktur könnte man auch an bestehenden Gerichten schaffen.

Personalmangel als Folge der Sparpolitik

Bei den anstehenden Budgetverhandlungen erwartet sich Matejka ein Plus an Planstellen sowohl bei Richterinnen und Richtern als auch beim Nachwuchs. "Wir haben nach wie vor große personelle Probleme", sagt Matejka. Engpässe gebe es auch beim nichtrichterlichen Personal.

Die Personalprobleme im richterlichen Bereich seien zum Teil Nachwehen der Sparpolitik früherer Jahre, hängen aber auch mit zahlreichen anstehenden Pensionierungen zusammen. "Es gab in den letzten Jahren massive Aufstockungen bei der Staatsanwaltschaft, aber nur zu einem sehr geringen Teil und erst letztes Jahr bei Strafgerichten", meinte Matejka. "Massive Engpässe" habe man etwa im Bereich der Wirtschaftsstrafsachen, aber auch bei Bezirksgerichten im familienrechtlichen Bereich.

So habe etwa das neue Erwachsenenschutzrecht enorme Mehrarbeit produziert, aber nie zu entsprechenden Personalaufstockungen geführt. Ähnliches gelte für das Kindschaftsrecht oder für Unterbringungsverfahren in Psychiatrien. In den vergangenen Jahren habe es immer geheißen, die diversen Änderungen seien ja nur mit einem geringen Anteil an Mehrarbeit verbunden. "Wenn dann das zehnte Gesetz geändert wird, wird es aber irgendwann spürbar. Das hat sich über Jahre summiert."

Gefühl für Gewaltenteilung "verlorengegangen"

Von der Politik wünscht sich Matejka mehr Sensibilität für die Gewaltenteilung. "Da ist in den letzten Jahren das politische Gefühl ein bisschen verlorengegangen und der wechselseitige Respekt vor einzelnen Institutionen des Staates." Dies sei eine politisch bedenkliche Entwicklung und leider ein genereller Trend in Europa. Die Politik müsse die Unabhängigkeit der Gerichte wahren und bedenken, wo sie sich einmischen könne und wo nicht.

Im Büro von Justizministerin Alma Zadić (Grüne) verweist man auf eine "Trendwende" im Justizbudget, die unter der Ministerin gelungen sei. Seit Zadićs Amtsantritt der Ministerin seien bmehr als 500 dringend notwendige Planstellen geschaffen worden, alleine 2023 rund 50 neue Planstellen für Richterinnen und Staatsanwälte. "Selbstverständlich" werde man sich auch bei den kommenden Budgetverhandlungen für weitere Verbesserungen einsetzen. (APA, red, 3.8.2023)