Seit 13. Februar liegt eine Empfehlung der Personalkommission vor, wer das wichtige Bundesverwaltungsgericht leiten soll. Beschlossen werden müsste die Besetzung der Stelle aber von der Bundesregierung – und diese ist sich nicht einig in der Frage, wer Präsidentin oder Präsident von Österreichs größtem Gericht werden soll. Die Spitzen der vier Oberlandesgerichte drängen Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) nun abermals, den Justizjob endlich nachzubesetzen. 

"Mittlerweile ist die Stelle der Präsidentin/des Präsidenten seit mehr als sieben Monaten unbesetzt. Dies stellt unseres Erachtens – ebenso wie die offenbare Verknüpfung mit der Besetzung der Leitung der Bundeswettbewerbsbehörde – einen groben Missstand in unserer Republik dar", schreiben Katharina Lehmayer (Wien), Michael Schwanda (Graz), Erich Dietachmair (Linz) und Wigbert Zimmermann (Innsbruck) in einem offenen Brief an die Regierungsspitze. 

"Parteipolitische Überlegungen ausklammern"

Für eine funktionierende Rechtsprechung sei es "notwendig, dass die Gerichte auf allen Ebenen wirksam geleitet werden", schreiben die Präsidentin und die Präsidenten. "Bleibt die Spitze eines Gerichts über einen längeren Zeitraum unbesetzt, stellt dies schon für sich allein genommen einen Fehler im System dar. Dieser Missstand wiegt umso schwerer, wenn davon das Bundesverwaltungsgericht als größtes österreichisches Gericht und Kontrollinstanz der Bundesverwaltung betroffen ist." Es sei Aufgabe der Regierung, offene Stellen nachzubesetzen. "Parteipolitische Überlegungen sind dabei auszuklammern." 

Sigrid Maurer, Karl Nehammer, Werner Kogler und August Wöginger
Die Bundesregierung ist sich bei der Besetzung des wichtigen Justizpostens uneinig. Im Bild: Sigrid Maurer, Karl Nehammer, Werner Kogler, August Wöginger.
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Die Grünen haben in der Vergangenheit auf ihren Vorschlag für die Nachbesetzung im Sinne der Personalkommission verwiesen, dem die ÖVP nur noch zustimmen müsse: Erstgereihte ist Sabine Matejka, Präsidentin der österreichischen Richtervereinigung und Vorsteherin des Bezirksgerichts Floridsdorf. Die ÖVP wiederum hat lediglich darauf verwiesen, dass es in der Koalition über diese Personalfrage keine Einigung gibt. 

Präsidentin des OLG Wien in der "ZIB-2"

Donnerstagabend äußerst sich die Präsidentin des Oberlandesgerichts Wien, Katharina Lehmayer, in der "ZIB-2" erneut zur Causa und betont die Notwendigkeit einer langfristigen Führung und einer starken Vertretung des Bundesverwaltungsgerichts nach Außen. Die Präsidentin und die Präsidenten der vier Oberlandesgerichte würden sich nur selten und nie zu politischen Fragen an die Öffentlichkeit wenden. Dies täte man nur, weil man hier einen groben Missstand erkenne.

Angesprochen auf den Sideletter aus der Zeit der türkis-grünen Regierung, der das Nominierungsrecht für den Posten bereits im Vorfeld der ÖVP zugesprochen hatte, sowie auf die Frage, ob Lehmayer "solche politischen Deals" für legitim halte, antwortet die Präsidentin zurückhaltend: "Ich bin nicht hier, um über die Politik zu urteilen." Die Bundesregierung, – wer auch immer das sei – sei laut Lehmayer gefordert, sich zu einigen, um die Handlungsfähigkeit des Gerichts zu gewährleisten.

Lehmayer würde sich wünschen, dass die Politik nichts mehr bei Postenbesetzungen in der Justiz mitzureden hätte. "In der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist das schon weitgehend erfüllt. Bei der Bundesverwaltungsgerichtsbarkeit hingegen gibt es den einen oder anderen Verbesserungsbedarf." In der Causa ortet sie politische Interessen: "Wie man sieht, spielen hier Interessen mit, die mit der Organisation eines unabhängigen Gerichtes nichts zu tun haben." (red, 13.7.2023)