Eine pflegebedürftige 80-jährige Türkin soll aus Vorarlberg abgeschoben werden, ihren Niederlassungsantrag müsste sie laut Behörden in der Türkei stellen. Der Verfassungsgerichtshof hat die erzwungene Ausreise jetzt aufgeschoben - Von Jutta Berger

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Dornbirn/Wien - Frau A. kam 2004, damals 77-jährig, aus der Türkei zur ihren beiden Söhnen nach Vorarlberg. Ihre Tochter, von der sie gepflegt wurde, war plötzlich verstorben. Die alte Frau hatte keine weiteren Verwandten in der Türkei.

Bei der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn stellte Frau A. im November 2004 einen Antrag auf ein humanitäres Visum laut dem früheren, weniger strengen Fremdenrecht. Der Antrag wurde in zwei Instanzen abgelehnt, die Ausweisung verfügt. Begründung: Der Antrag hätte aus der Türkei gestellt werden müssen. Für Rechtsanwalt Wilfried Ludwig Weh, der für Frau A. Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof einreichte, "reine Schikane", denn die alte Frau sei nicht reisefähig.

Der prekäre Gesundheitszustand der Frau sei beim Antrag nicht ersichtlich gewesen, sagt Walter Filzmaier von der Sicherheitsdirektion. Genau informiert hingegen war der Unabhängige Verwaltungssenat, der ein Strafverfahren gegen die Frau wegen unerlaubten Aufenthalts aufgrund zweier medizinischer Gutachten aufhob. Mit dieser Begründung hätte man auch die Ausweisung aufheben können, sagt Weh. "Wir haben sie eh nicht abgeschoben", sagt Filzmaier.

Schaden vor Nutzen

Vorerst verhindert wurde die Ausweisung durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH), der der Beschwerde aufschiebende Wirkung erteilte: Der Nutzen Österreichs durch eine Ausweisung stehe in keinem Verhältnis zum Schaden, den die Frau erleiden würde, sagte der Sprecher des VfGH, Christian Neuwirth. Endgültig entschieden wird frühestens im September. Weh: "Der Fall wird lösbar sein, aber es gibt zig andere."

Die Grünen fordern, die Menschenrechte als Maßstab für das Aufenthaltsrecht zu nehmen, und bringen am Donnerstag im Nationalrat einen Gesetzesentwurf zum Bleiberecht ein. Caritas-Direktor Michael Landau fordert "die rasche Einführung eines rechtsstaatlichen Verfahrens für humanitären Aufenthalt". Die derzeitige Gnadenregelung sei "völlig unzureichend". Innenminister Platter zu der Causa: "Das ist offenbar ein klassischer Fall für humanitären Aufenthalt." Die Möglichkeit solcher Ausnahmen zeige, dass Österreich "ein gutes Fremdenrecht" habe. (Jutta Berger/ DER STANDARD Printausgabe 5.7.2007)