Die beschlossene Einmalzahlung für Pensionistinnen und Pensionisten ist eigenwillig gestaffelt. Für manche fällt die Rechnung ernüchternd aus.

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Für Frau M. ist es schlicht ein "Hohn". Die Dame lebt von einer keinesfalls üppigen Pension von 1.041 Euro brutto im Monat – und wird von der Regierung dennoch weniger entlastet als andere Ruheständler, die auf viele hundert Euro mehr im Monat kommen. Wer etwa eine Pension von 1.600 Monat bezieht, erhält aus jener Einmalzahlung, die im September automatisch draufgeschlagen werden soll, 500 Euro. Frau M. muss sich hingegen mit 243 Euro begnügen.

Das liegt an der Konstruktion jener Unterstützungsleistung, die ÖVP und Grüne mit dem jüngsten Antiteuerungspaket im Juni beschlossen haben. Kurioserweise gibt es dabei nicht nur eine soziale Staffelung nach oben, sondern auch eine nach unten.

Den vollen Aufschlag von 500 Euro pro Monat erhalten all jene, die auf eine Pension zwischen 1.200 und 1.800 Euro kommen. Darüber wird der Betrag linear abgeschliffen, sodass dieser ab 2.250 Euro bei null landet. Ähnliches gilt nach unten: Da sinkt die Einmalzahlung bis zu einem Pensionsniveau von 960 Euro auf 136 Euro – darunter beträgt sie pauschal 14,2 Prozent der Bruttopension.

Kritik an "Ungerechtigkeit"

Frau M. sitzt damit finanziell quasi zwischen den Stühlen. Denn fiele sie unter die mit 1.030 Euro geringfügig niedrigere Mindestpension, hätte sie zusätzlich zur Einmalzahlung Anspruch auf den zusätzlichen Teuerungsausgleich von 300 Euro für sozial schwache Gruppen. Menschen in ihrer Pensionskategorie würden damit benachteiligt, findet sie: "Diese Ungerechtigkeit gehört korrigiert."

Warum hat die Regierung diese Konzeption gewählt? Wer beim grün geführten Sozialministerium nachfragt, erhält eine recht formelle Begründung. Das Modell sei jenem steuerlichen Absetzbetrag nachempfunden, der im Zuge des Entlastungspakets den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern gewährt wird. Damit das Geld nicht erst beim Steuerausgleich mit Jahresende, sondern bereits im September ausbezahlt werden könne, haben man zwar den Weg der direkten Einmalzahlung gewählt. Die Wirkung solle aber gleich sein wie bei den Arbeitnehmern – deshalb sei auch keine Änderung geplant.

Eigenwillige Logik

Zur Erklärung: Beim Prinzip eines Absetzbetrags, der die Steuerlast mindert, liegt es in der Natur der Sache, dass besonders niedrige Einkommen weniger profitieren als höhere. Denn wer nicht genug Steuern zahlt, um den vollen Betrag – in dem Fall 500 Euro – abziehen zu können, hat auch nicht den vollen Vorteil. Doch der Vergleich mit den Pensionisten hinkt: Denn bei den Arbeitnehmern gibt es für Kleinverdiener eine Negativsteuer als Kompensation für die entgangene Steuerentlastung.

Eine ähnliche Antwort bekam M. aus dem Dialogbüro des grünen Parlamentsklubs. Zusatz: Da die Einmalzahlung in eine größere Zahl von Maßnahmen eingebettet sei, sei diese "in ihrer Wirkung nicht einzeln zu betrachten". So profitieren alle Pensionistinnen und Pensionisten von weiteren 500 Euro, die als Klima- und Antiteuerungsbonus ebenfalls im September ausbezahlt werden sollen, das gleiche gilt für die Senkung der Energieabgaben.

Viel Geld auf dem Spiel

Nicht glücklich sind mit dieser Regelung auch die Pensionistenvertreter. Doch wenn diese am Donnerstagnachmittag bei Sozialminister Johannes Rauch zu Gast sind, geht es um etwas anderes: Verhandelt wird, wie stark die Pensionen im nächsten Jahr angehoben werden sollen. Es geht um hohe Summen: Ein Prozent Erhöhung kostet laut Finanzministerium rund 580 Millionen Euro.

Die gesetzlich vorgesehenen 5,8 Prozent sind den Seniorenverbänden zu wenig, wieder steht eine soziale Staffelung im Raum. Doch wie diese funktionieren soll, ist umstritten. Ingrid Korosec, Präsidentin des ÖVP-Seniorenbunds, teilt die Bedenken, wonach die üblich gewordenen stärken Erhöhungen für kleine Pensionen das Versicherungsprinzip aushöhlten: Schließlich solle es sich im Ruhestand für jene lohnen, die im Erwerbsleben mehr gearbeitet und damit mehr in die Pensionsversicherung eingezahlt haben.

Korosec plädiert deshalb dafür, die Sphären zu trennen: Auf der einen Seite die gesetzliche Inflationsabgeltung für alle, auf der anderen einmalige Sonderzahlungen zur Armutsbekämpfung, die aber angesichts der hohen Inflation bis in die Mittelschicht reichen müssten. Wie viel nötig sei, hänge von den geplanten Preisbremsen für Strom oder Gas ab. Schon deshalb ist bei den Verhandlungen mit keiner raschen Einigung zu rechnen.

Agenda Austria gegen Staffelung

Ähnlich argumentiert Dénes Kucera vom unternehmernahen Thinktank Agenda Austria. "Wie hoch eine Pension ist, sollte davon abhängen, wie viel man einzahlt", sagt der Ökonom. Würden höhere Pensionen weniger angepasst und real an Wert verlieren, gehe der Anreiz verloren, ins System einzuzahlen.

Genau das sei in den vergangenen Jahren passiert, rechnet die Agenda Austria vor: Demnach profitierten seit 2018 besonders die niedrigeren Pensionen – bis rund 2.500 Euro monatlich – von stärkeren Anpassungen als die allgemeine Teuerungsrate implizierte. Personen mit höheren Pensionen ab rund 3.500 Euro monatlich hätten hingegen real an Kaufkraft verloren.

Alle Pensionen sollten im selben gesetzlich vorgesehenen Ausmaß angepasst werden, empfiehlt Kucsera, eine außertourliche Anhebung sei "gut gemeint, aber auf Dauer brandgefährlich". Diese würde den Generationenkonflikt massiv befeuern, wobei die Jugend draufzahlen würde: "Im Pensionssystem gibt es bereits jetzt ein riesiges Loch. Werden Pensionen weiter erhöht, wächst dieses Loch. Finanziert wird das über Schulden oder Steuern, die an den Jüngeren hängen bleiben."

Ohnehin würden Pensionistinnen und Pensionisten von den Entlastungspaketen profitieren, fügt er an. Wenn die Politik noch mehr machen wolle, dann solle das nur über Einmalzahlungen geschehen: "Diese belasten das Budget nur kurzfristig und nicht dauerhaft." (Gerald John, Andreas Danzer, 25.8.2022)