Marlene Engelhorn (28) plant, die Erbschaft ihrer Oma großteils zu spenden.

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Sie wird einmal viele Millionen erben. Das weiß Marlene Engelhorn seit zwei Jahren. Damals teilte ihre mittlerweile 94-jährige Großmutter ihre Erbschaftspläne mit. Seither überlegt die Enkelin, wie sie 90 Prozent ihres Anteils loswird: Sie will fast ihr gesamtes Erbe spenden, "weil in Österreich Vermögen und damit Macht und Lebenschancen wahnsinnig ungerecht verteilt sind", sagte die Wiener Germanistikstudentin unlängst in der ORF-Sendung Aktuell nach eins: "Ein Prozent der Bevölkerung hält 40 Prozent des Vermögens. Ich werde dazugehören – und ich habe dafür nicht arbeiten müssen." Sie trage "die Verantwortung, dies radikal zu ändern und einen Beitrag zu leisten, der sinnvoll ist".

Es geht, wie der Falter schreibt, um einen zweistelligen Millionenbetrag. Das Vermögen von Erblasserin Traudl Engelhorn-Vechiatto, die in der Schweiz lebt, beläuft sich laut Forbes aktuell auf 4,2 Milliarden Dollar. Die aus Wien stammende Witwe des 1991 verstorbenen Peter Engelhorn, der Gesellschafter des Pharmaunternehmens Boehringer Mannheim (heute Roche) war, ist selbst aktive Mäzenin, die sich mit ihren vier Töchtern massiv für Kultur und Wissenschaft, da vor allem im Bereich Biotechnologie und Life-Sciences, engagiert.

Der Staat sollte "das oberste Prozent in die Pflicht nehmen"

Enkelin Marlene sieht in dem Anteil, der davon an sie gehen wird, einen "riesigen Handlungsspielraum", den ihr ihre Oma eröffne, der aber auch auf "schierem Geburtenglück" basiere, weshalb sie "radikal teilen" will. Eigentlich sollte der Staat "das oberste Prozent in die Pflicht nehmen".

Dafür kämpft sie mit gleichgesinnten jungen Reichen sowie mit den Millionaires for Humanity, die höhere Steuern für ihresgleichen fordern. Sie sagt dort: "Wir brauchen eine Umverteilung von Reichtum, Land und Macht, und wir brauchen einen transparenten und demokratischen Prozess – für mich bedeutet das: Vermögenssteuern."

Bei der in Berlin angesiedelten Guerrilla Foundation, die Initiativen unterstützt, "die auf einen umfassenden systemischen Wandel in ganz Europa hinarbeiten", wird die angehende Philanthropin als "intrepid intern" (unerschrockene Praktikantin) geführt, die neben der Uni Sprachunterricht gibt und in Schulen LGBTQI+-Workshops abhielt.

Zudem hilft sie als Obfrau des 2014 gegründeten Vereins Holzkiste in der Republik Moldau Menschen mit weniger Geburtsglück: 260 Familien konnte die Gruppe mit Brennholz, Kleidung und Winterschuhen buchstäblich "Wärme spenden". 150 Euro "reichen" für Holz für einen ganzen Winter. (Lisa Nimmervoll, 29.4.2021)