Die Staatsdruckerei lieferte Pässe nach Nordkorea, drei Rohlinge landeten beim südkoreanischen Nachrichtendienst. Heute muss sich das BVT dazu verantworten. Hier im Bild nordkoreanische Cheerleader, die zur jüngsten Olympiade in Südkorea reisen durften.

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Wien – Bei der Hausdurchsuchung rund um die Causa Bundesamt für Verfassungsschutz (BVT) sind der Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität (ESG) Fehler unterlaufen. So haben es die Polizisten nach den Razzien in zwei Privatwohnungen unterlassen, den beschuldigten Beamten die Sicherstellungsprotokolle zu geben. Diese Fehler vom 28. Februar wurden am 6. März korrigiert.

In einem BVT-Strang geht es um die "Causa nordkoreanische Pässe", in der wegen Verdachts auf Ausspähung von Staatsgeheimnissen, Missbrauch der Amtsgewalt und Auskundschaftung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses zugunsten des Auslands ermittelt wird. Ein BVT-Beamter hat drei Rohlinge von in der Österreichischen Staatsdruckerei hergestellten nordkoreanischen Pässen an den südkoreanischen Nachrichtendienst (NIS) übergeben. 27 Pass-Rohlinge blieben beim BVT.

"Internationale Amtshilfe"

Allerdings wurde diese Angelegenheit intern geprüft und für in Ordnung befunden. Das BVT begründete das Vorgehen in einem Bericht an die Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit vom 8. September 2017 mit "internationaler Amtshilfe". Laut diesem Bericht und einer internen "Zeitleiste" bekam die Österreichische Staatsdruckerei Mitte 2015 die Anfrage, 190.000 elektronische Pässe plus Hard- und Software an Nordkorea zu liefern.

Am 20. Juli gab es ein "Stellungnahmeersuchen" des Wirtschaftsministeriums. Der Lieferantrag sei "seitens des Wirtschafts- und Außenministeriums kritisch beurteilt (worden), da Geschäftsbeziehungen mit Nordkorea insgesamt auch für die Republik Österreich möglicherweise negative außenpolitische Folgen nach sich ziehen können".

Unter Beobachtung

Daher habe das Außenministerium am 16. September die Verfassungsschützer vom BVT "um eine Risikoanalyse dieses Exportvorgangs" ersucht. Die Einreisen von Nordkoreanern wegen der Verhandlungen über die Passlieferungen seien bei diversen Nachrichtendiensten bekannt geworden.

Wörtlich heißt es in dem Bericht: "Da solche Reisetätigkeiten, insbesondere von nordkoreanischen Staatsapparatsangehörigen, durch ausländische Nachrichtendienste generell registriert und einer Beobachtung unterzogen werden (es wird international davon ausgegangen, dass bei Reisen ins Ausland von Angehörigen der DVKR (Nordkoreas) diese illegale (Beschaffungs-)Aufträge des Regimes erfüllen müssen), wurde auch die nordkoreanische Delegation nach Österreich zur Österreichischen Staatsdruckerei relativ rasch bei diversen Nachrichtendiensten bekannt." Derartige Geschäftskontakte führten gegebenfalls zur internationalen Ächtung und "gelten als äußerst sensibel".

"Nordkoreanische Diktatur"

Deswegen habe "die enorme Gefahr bestanden, dass die Staatsdruckerei international den Ruf erhalten könnte, Geschäftsbeziehungen mit der ,nordkoreanischen Diktatur' zu unterhalten".

"Die Auswirkungen eines solchen Reputationsschadens wären für das Unternehmen und für die Republik Österreich unermesslich gewesen", so das BVT in seinem Bericht. Allerdings hätten die "Problemstellungen" zur "Sensibilisierung" der Staatsdruckerei geführt, die dem BVT am 18. September 2015 ihre Geschäftsbeziehungen "im Detail erläuterte". Am 22. September gab das BVT dann eine "befürwortende Stellungnahme" an Wirtschafts- und Außenministerium zur Passlieferung. Laut Zeitleiste konnte aber "ein Missbrauch der Pässe (...) womöglich zum Nachteil Österreichs nicht ausgeschlossen werden".

Staatsdrucker übergaben Pässe

Am 6. April 2016 übergab eine "Kontaktperson" der Staatsdruckerei "ohne Anforderung des BVT" einem BVT-Beamten in einem Wiener Innenstadtrestaurant 30 Pass-Rohlinge, also Dokumente ohne Seriennummer und Personsdaten. Was "ohne Anforderung" bedeutet? Laut BVT-Bericht erfolgte die Übergabe durch die Staatsdruckerei (ein Unternehmen, das nicht dem Staat gehört, sondern Privaten) "allein aufgrund der Kooperation der Staatsdruckerei mit den österreichischen Sicherheitsbehörden in Sicherheitsbelangen" erfolgt.

Der BVT-Mitarbeiter, der die Rohlinge im Restaurant übernommen hatte, informierte seine Chefs am 12. April seinen Chefs, legte laut Bericht einem von ihnen die Rohlinge vor und holte die Genehmigung zur Übergabe an "Kooperationspartner NIS" ein. Einen Tag später fand dann die Übergabe der drei Pass-Rohlinge statt. Als Ansichtsexemplare zur "sicherheitspolizeilichen Gefahrenabwehr". (Renate Graber, 4.4.2018)