Wien - Der Presserat hat den Prozess vor dem Handelsgericht Wien, den die Tageszeitung "Österreich" angestrengt hatte, in erster Instanz gewonnen, die Unterlassungsklage wurde abgewiesen. "Österreich" wollte mit der Klage erreichen, dass der Presserat Artikel von "Österreich" nicht mehr medienethisch bewerten darf. Die Zeitung hatte damit argumentiert, dass der Presserat in den Wettbewerb eingreife und sich staatliche Gewalt anmaße.

Das Handelsgericht hält jetzt in seinem Urteil fest, dass die Verfahren vor dem Presserat verschiedene Medien betreffen und auch andere Medien ähnlich häufig mit der Tätigkeit des Presserats konfrontiert seien wie "Österreich". Der Presserat sei in diesem Zusammenhang unabhängig und unbeeinflusst. Das Gericht konnte nicht feststellen, dass es dem Presserat "auch nur im Mindesten" darauf ankomme, den Wettbewerb bestimmter Medien zu fördern oder andere Medien zu behindern. "Es ist sehr klar und deutlich zu unseren Gunsten ausgegangen", sagt Presserat-Geschäftsführer Alexander Warzilek.

Zurückhaltung "nicht selbstversändlich"

Gegenüber "Österreich" sei der Presserat laut Gericht sogar zurückhaltend vorgegangen. In den 230 Fällen, mit denen sich der Presserat von November 2010 bis Ende 2012 beschäftigte, betrafen 26 "Österreich". In sechs dieser 26 Fälle stellte der Presserat Verstöße gegen den Ehrenkodex fest. Im Urteil heißt es: "Diese Zurückhaltung [...] erscheint im Hinblick auf die häufig boulevardhafte Aufmachung des von 'Österreich' verbreiteten Druckwerks und die damit verbundene mehr der Unterhaltung des Publikums denn der sachlichen Information verpflichteten Blattlinie nicht selbstverständlich."

Warzilek: "Einschüchterungsversuch"

Warzilek sprach angesichts der Klage von einem "Einschüchterungsversuch" der Mediengruppe Österreich. "Wir lassen uns davon aber nicht beeindrucken. 'Österreich' kann unsere Entscheidungen gerne kritisieren, aber wir reagieren darauf nicht beleidigt. Die Meinungsfreiheit lassen wir uns sicher nicht verbieten." Schließlich sei "Österreich ja nicht Nordkorea". Der Presserat selbst sei jedenfalls darauf bedacht, ethische Grundsätze einzuhalten.

"Das Handelsgericht hat die Unabhängigkeit, die Objektivität und die ideelle Zielsetzung des Presserats bestätigt und ist der absurden Argumentation der Tageszeitung 'Österreich', der Presserat stehe mit ihr in einem Wettbewerbsverhältnis, nicht gefolgt", sagt Presserat-Präsident Oscar Bronner. "Österreich" kann innerhalb von vier Wochen gegen das Urteil zu berufen.

Gegenüber dem STANDARD sagt Oliver Voigt, Verlagsgruppe Österreich: "Wir haben unabhängig voneinander zwei Klagen gegen den Presserat eingebracht und werden nun mit einem Universitäts-Gutachten unsere Argumentation untermauern und darüber hinaus weitere Schritte mit unseren Anwälten besprechen. Danach werden wir in aller Ruhe dann die dort beschlossenen Maßnahmen umsetzen." Das zweite Verfahren richtet sich gegen Fragen des Presserats an Anzeigenkunden - mehr hier.

"Österreich" wolle "nicht unnötig Gerichtswege blockieren, aber jedenfalls unsere Meinung ans Licht bringen", sagt Voigt. Möglich sei demnach auch, dass man im weiteren Instanzenweg ein Rechtsgutachten des Rechtswissenschafters Friedrich Rüffler, das für ein zweites unabhängiges Verfahren gegen den Presserat vorgesehen ist, einbringen werde. Grundsätzlich gebe es aber "keine Eile", man werde das Urteil "in Ruhe lesen und sinnstiftend darüber schlafen". Zwar möchte man das Verfahren "natürlich gewinnen", aber auch die Meinung "derer, die darüber entscheiden", nachvollziehen.

Nichtsdestotrotz bekräftigte Voigt seine Kritik am Presserat neuerlich, sowohl was die Freiwilligkeit hinsichtlich der Teilnahme am Rat betrifft als auch dessen Beurteilungen, die "ummantelt als behördliche Anordnung" daherkommen würden. "Wir werden, wenn wir der Meinung sind, dass wir überzeugende und gute Argumente haben, überlegen und abwägen, ob wir berufen oder nicht." Alleine die Berichterstattung über die Causa habe jedenfalls einige Entscheidungsträger wachgerüttelt, wie er im Laufe der vergangenen Wochen aus persönlichen Gesprächen erfahren habe. "Das ist schon ein Erfolg", so Voigt. (red/APA, derStandard.at, 15.1.2014)