Wien - Eine Woche vor der Wehrpflicht-Volksbefragung am 20. Jänner greifen die Regierungsparteien noch einmal zu rhetorischen Tricks, um Stimmung für ihre jeweilige Position zu machen. Verteidigungsminister Norbert Darabos hat in der ORF-"Pressestunde" gemeint, Österreich habe angesichts der neuen Bedrohungsszenarien keine Notwendigkeit mehr, ein Massenheer aufrechtzuerhalten - womit er auch seinen Meinungsschwenk vom überzeugten Wehrpflicht-Befürworter zum Berufsheer-Fan begründete.

"Man kann ja gescheiter werden", zitierte Darabos sinngemäß den ehemaligen deutschen Bundeskanzler Konrad Adenauer. Es sei wichtig, dass das neue Modell jetzt umgesetzt werde - und zwar aufgrund von neuen Bedrohungszenarien, wie etwa "Terroristsmusbekämpfung, Cyber Kriminalität, Krieg durch die Steckdose, das Scheitern von Staaten".

Dass der Kurswechsel innerhalb der SPÖ von Wiens Bürgermeister Michael Häupl im Wiener Wahlkampf vorgegeben worden sei, bestritt der Verteidigungsminister: Man habe innerhalb der Partei "über Monate diskutiert", und sei zwischen Oktober 2010 und dem Frühjahr 2011 zum Schluss gekommen, dass es ein "intelligentes" System geben könne, dass die Wehrpflicht ersetzen kann. "Wir haben diesen Schritt anhand von Faktenlagen gesetzt", versicherte Darabos.

Umstieg "locker zu schaffen"

Befürchtungen, dass mit einem Berufsheer die Truppenstärke nicht ausreichend gegeben sein könnte, trat er einmal mehr entgegen. Und die Bevölkerung könne sich auch darauf verlassen, dass der Katastrophenschutz besser gewährleistet wäre als jetzt. In diesem Zusammenhang verwies der Minister darauf, dass nur 3,7 Prozent aller Grundwehrdiener in ihrer Laufbahn für Katastropheneinsätze eingesetzt werden. Auch die Umstiegsphase sei "locker zu schaffen"; der Termin dafür soll - bei einem Ja für das Berufsheer - wie geplant per 1. Jänner 2014 bleiben. Auch werde es ausreichend Bewerber für das geplante Soziale Jahr, das den Zivildienst ersetzen soll, geben.

Vorwürfe der ÖVP, er halte eine Studie über die gute Integrationswirkung der Wehrpflicht zurück, wies er zurück. Er habe diese Studie bisher nicht gekannt, diese sei aus dem Jahr 2009. Andere Studien würden das Gegenteil behaupten, so der Minister.

Für die Befragung hofft Darabos auf eine hohe Teilnahme, er sprach von Umfragen, die eine Beteiligung von bis zu 70 Prozent voraussagen. Wie seine persönliche Zukunft im Falle eines Nein der Österreicher zu seinen Plänen aussehen wird, wollte der Minister nicht kommentieren. Es gehe bei der Befragung nicht um seine Person.

"Längeres Warten auf Rettung"

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner hat am Sonntag wiederum vor negativen Konsequenzen gewarnt, sollte die Volksbefragung in einer Woche gegen Wehrpflicht und Zivildienst ausgehen. In diesem Fall würden ein neues Sparpaket, eine "Arbeitslosenmiliz", die Gefährdung des Katastrophenschutzes sowie längere Wartezeiten auf die Rettung drohen, sagte die ÖVP-Ministerin am Sonntag in der zweiten, unmittelbar nach dem Auftritt von Verteidigungsminister Norbert Darabos (S) angesetzten ORF-"Pressestunde". Für den Fall einer Abstimmungsniederlage schloss sie ihren Rücktritt aus.

"Wer Ja zum Berufsheer sagt, sagt auch Ja zum nächsten Zwei-Milliarden-Sparpaket",warnte Mikl-Leitner vor angeblichen Mehrkosten der Umstellung. Außerdem wären mit dem Ende der Wehrpflicht aus ihrer Sicht auch Kernaufgaben des Bundesheeres wie der Schutz kritischer Infrastruktur, der Katastrophenschutz oder die Versorgung der Bevölkerung im Fall eines großflächigen Stromausfalls gefährdet: "Das geht nur, wenn man auch eine ausreichende Mannstärke hat von 55.000 Mann."

Grundwehrdiener würde man außerdem für eine allfällige Neuauflage des Assistenzeinsatzes an der Grenze brauchen, argumentierte Mikl-Leitner: "Es weiß keiner, ob nicht ein intensiver Flüchtlingsstrom aus dem Nahen Osten zu uns kommt." Zudem befürchtet die VP-Ministerin ohne verpflichtenden Grundwehrdienst "Rekrutierungsprobleme" für das Bundesheer, womit die derzeitige "Profimiliz" zu einer "Arbeitslosenmiliz" würde.

Keine Details gab es dazu, welches Reformmodell der ÖVP für das Bundesheer vorschwebt. Mikl-Leitner verwies nur einmal mehr darauf, dass aus ihrer Sicht jeder Grundwehrdiener Kenntnisse über Sport, Gesundheit, Ernährung, sowie über Erste Hilfe, Katastrophenschutz und Staatsbürgerschaftskunde erwerben sollte. Reduziert werden könnte aus ihrer Sicht auch die Zahl der Systemerhalter.

Beibehalten würde Mikl-Leitner die um drei Monate längere Dienstverpflichtung für Zivildiener, "weil da braucht es ein Mehr an Ausbildung". Dass der Zivildienst - wie von der SPÖ argumentiert - angesichts geburtenschwacher Jahrgänge in den kommenden Jahren unter Personalnot leiden könnte, glaubt die zuständige Innenministerin nicht. Ab 2030 werde es nämlich bereits wieder mehr 19-Jährige geben als heute: "Wir brauchen uns keine Sorgen machen, dass uns die helfenden Hände ausgehen." Auch eine Lockerung der Tauglichkeitsgrenzen sei nicht nötig. Ohne Zivildienst würden aber längere Wartezeiten auf die Rettung drohen, das zeige auch das bayerische Beispiel, bekräftigte die Ministerin: "Das ist Realität und nicht irgendein Gespenst, das wir hier an die Wand malen."  (APA, 13.1.2013)