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Staatssekretär Sebastian Kurz sieht keinen Grund zur Euphorie. "Es gibt noch viel zu tun". Er möchte weiter auf sprachliche Frühförderung setzen.

Foto: APA/Neubauer

Staatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) sieht im Integrationsbericht keinen Grund für Euphorie. Durch "jahrzehntelange Versäumnisse gibt es noch unendlich viel zu tun", erklärte er bei der Präsentation des Berichts am Montagvormittag in Wien. 

Heinz Fassmann, Vorsitzender des Expertenrats für Integration, bewertet das vergangene Jahr positiver. Er sieht langsame Fortschritte und spricht von 2011 als einem guten Jahr für Integrationspolitik in Österreich. Das Klima habe sich "aufgehellt", so Fassmann. Er führt das darauf zurück, dass das vom Expertenrat vorgeschlagene 20-Punkte-Programm vom Integrationsstaatssekretariat großteils umgesetzt wurde.

Bei einer Befragung von 1.000 Personen in ganz Österreich gaben laut Fassmann 56 Prozent der Befragten an, dass Integration in Österreich schlecht bis sehr schlecht funktioniere. Im Jahr 2010 hätten diese Meinung noch 69 Prozent geteilt. Das sei erfreulich, obwohl immer noch mehr als die Hälfte Integration in Österreich negativ bewerten.

Rot-Weiß-Rot-Fibel und neuer Staatsbürgerschaftstest

Trotzdem hätten die von Staatssekretär Kurz gesetzten Maßnahmen Wirkung gezeigt und sollen intensiviert werden. Laut dem Expertenrat haben Schritte wie das verpflichtende Kindergartenjahr und die sprachliche Frühförderung erste Ergebnisse gebracht. Im "Dialogforum Islam" sollen nun bis Jahresende Lösungsvorschläge für Probleme im Zusammenleben erarbeitet werden.

Als weiterführende Maßnahme ist eine Rot-Weiß-Rot-Fibel geplant. Sie soll das Zusammenleben und die Werte vermitteln, auf dieser Basis soll auch ein neuer Staatsbürgerschaftstest entwickelt werden. Dieser solle nicht mehr Daten und Fakten abprüfen, sondern die Zuwanderer auf ein Zusammenleben vorbereiten.

Bis Ende Oktober soll die Rot-Weiß-Rot-Fibel fertig sein und dann auch in allen Botschaften aufliegen. Der neue Staatsbürgerschaftstest soll frühesten Ende des Jahres fertig sein. Dabei sollen Fragen des Zusammenlebens im Mittelpunkt stehen und Relevanz für das Leben in Österreich haben. Auf keinen Fall solle es sei eine Faktensammlung zum Auswendiglernen werden, so Fassmann. 

Bildungskonzept für junge Migranten

Integration müsse von Anfang an passieren, sagte Fassmann. Noch heute habe Österreich mit dem Erbe der Gastarbeiter zu kämpfen. Soziale Statuspositionen würden vererbt, dabei sei es wichtig, diesen Mechanismus zu durchbrechen. Fassmann sieht hier durchaus einen Fortschritt, mit Zahlen sei das aber nicht zu belegen. Die Fehler, die einst passiert seien, seien nicht in ein bis zwei Jahren zu beheben.

Staatssekretär Kurz sieht vor allem in der sprachlichen Förderung Potenzial. Diese soll auch weiter einer von zwei Schwerpunkten sein. Einerseits möchte Kurz weiter auf Spracherwerb und Frühförderung setzen, andererseits auf Werte und Religion. In Wien habe jedes zweite Kind Migrationshintergrund, österreichweit sei es jedes vierte. Daher sei sprachliche Frühförderung besonders wichtig, Kurz sieht darin eine Mammutaufgabe. 

Besonderes Anliegen ist ihm auch das Thema Schulabbruch. 8.000 Jugendliche würden jährlich ohne Hauptschulabschluss die Schule verlassen, der Anteil der Schüler mit Migrationshintergrund sei dabei viermal so hoch wie jener von Jugendlichen ohne Migrationsgrund. So wachse eine Generation von Verlierern heran, es brauche aber eine Generation von Gewinnern, die im Erwerbssystem einen Beitrag leisten könnten. Es dürfe nicht sein, dass dadurch Talente verloren gehen, meint Kurz. Daher erarbeite das Staatssekretariat ein Bildungskonzept für junge Migranten nach dem Motto "Frühes Fördern statt spätem Reparieren". Festhalten will Kurz auch am zweiten verpflichtenden Kindergartenjahr für jene Kinder, die es aus sprachlicher Sicht brauchen. Das Bildungskonzept soll bis Herbst fertig sein. 

Grüne Kritik

Der vom Expertenrat grundsätzlich positiv ausgefallene Integrationsbericht findet bei den Grünen und der Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch kein Lob. Beide machten in Aussendungen deutlich, dass sie neue Maßnahmen vermissen. "Für eine echte Verbesserung des Zusammenlebens brauchen wir aber mehr als Ankündigungen, nämlich gelebte Chancengleichheit und Gleichberechtigung", so die Grüne Integrationssprecherin Alev Korun.

Immer noch würden tausende Kinder jährlich als "Ausländer" auf die Welt kommen und es jahrelang bleiben, Mehrsprachige in der Schule ausselektiert und die Regierung schaue bei Diskriminierung am Arbeits- und Wohnungsmarkt zu, klagte Korun. Konkrete Maßnahmen für mehr Chancengleichheit und ein flächendeckendes Integrationsprogramm vom ersten Tag an würden nach wie vor fehlen.

Auch SOS Mitmensch fand "zahlreiche Leerstellen" im Bericht. Der "Stillstand" bei der Erarbeitung weiterer Maßnahmen sei "gravierend", verwies Sprecher Alexander Pollak auf seiner Meinung nach fehlende Themen wie der "Staatsbürgerschaftsblockade", dem "Bildungsraub" und der Diskriminierung am Arbeitsmarkt. Er forderte außerdem, das Integrationsthema vom Innenministerium zu "befreien". (APA, mte, derStandard.at, 9.7.2012)