Bild nicht mehr verfügbar.

Zimmermann: "Die Schuldenbremse ist die Konsequenz aus den Erfahrungen der Nachkriegszeit, dass es einfach nicht gelingt, antizyklische Fiskalpolitik zu machen."

Foto: dapd/Schmidt

STANDARD: Die deutsche Schuldenbremse wird zum Exportschlager. Ist das eine gute Entwicklung?

Zimmermann: Ja, es wäre zu begrüßen, wenn solche Regeln in allen Grundgesetzen niedergeschrieben werden. Die Schuldenbremse ist die Konsequenz aus den Erfahrungen der Nachkriegszeit, dass es einfach nicht gelingt, antizyklische Fiskalpolitik zu machen: in Krisenzeiten Budgetdefizite zuzulassen und in guten Zeiten die Schuldenlast wieder abzubauen.

STANDARD: Warum geht das nicht?

Zimmermann: Weil Politiker dazu tendieren, nur bis zum nächsten Wahltag zu denken, und wenn es sich nur um eine Regionalwahl handelt. Ist in guten Zeiten Geld da, wird es einfach ausgegeben. Das war so in Deutschland, in der Schweiz und auch in Österreich.

STANDARD: Den großen Schuldensprung der letzten Jahre hat doch nicht die freigebige Politik, sondern die Finanzkrise ausgelöst.

Zimmermann: Die Finanzkrise hat nur ein Problem ein bisschen verschärft, das seit langem strukturell angelegt ist: dass Regierungen überall auf der Welt Erwartungen an den Staat durch immer größere kreditfinanzierte Ausgaben befriedigen wollten. Die Finanzmärkte weisen auf diese Schwächen hin. Nicht sie sind die Ursache der Krise, sondern die verfehlte Finanzpolitik der letzten Jahrzehnte und die mangelnde Bereitschaft, nach der Krise eine klares Konzept vorzulegen, wie die Schulden abzubauen sind.

STANDARD: Europa steht vor einem Wirtschaftseinbruch. Wird kollektives Schuldenbremsen nicht nur noch tiefer in die Krise führen?

Zimmermann: Die Schuldenbremse soll es Staaten ja nicht unmöglich machen, sich zu verschulden - das wäre völlig kontraproduktiv. Natürlich sind in Krisenzeiten konjunkturell bedingte Ausgaben und Einnahmenausfälle hinzunehmen.

STANDARD: Raubt die Schuldenbremse diesen Spielraum nicht?

Zimmermann: Das kommt darauf an, wie man das genau anlegt. Wichtig ist dabei, das Defizit in ein strukturell-langfristiges und in ein konjunkturbedingtes aufzuschlüsseln - Letzteres muss zugelassen werden. Diese Möglichkeit räumt auch die europäische Vertragssituation ein. Nur müssen Schulden und Defizit wieder auf ein langfristig tragbares Niveau zurückgeführt werden. Damit dieser Ausgleich nicht auf der Strecke bleibt, braucht es die Schuldenbremse in der Verfassung.

STANDARD: Was, wenn Österreichs Regierung dafür keine Mehrheit im Parlament findet?

Zimmermann: Dann gerät auch Österreich in Gefahr, Opfer der Finanzmärkte zu werden.

STANDARD: Spanien hat die Einführung der Schuldenbremse diesbezüglich aber nichts genützt.

Zimmermann: Natürlich geht es um das gesamte Paket. Die eine oder andere Aufregung mag da etwas diffus sein, zumal Spanien zwar eine hohes Defizit, aber keinen hohen Schuldenstand hat. Im Prinzip wissen aber auch die Finanzmärkte, dass die Schuldenkrise nur auf lange Sicht gelöst werden kann. Die Staaten müssen klarmachen, wie die Situation in der Zukunft aussieht. Da ist die Schuldenbremse ein wichtiges Signal.

STANDARD: Eine Gretchenfrage lautet: Sparen oder Steuern erhöhen?

Zimmermann: Ohne Steuererhöhungen wird es nicht gehen, weil Ausgabensenkungen nicht so einfach sind und mitunter lange dauern. Es gibt ja auch Staatsausgaben, die Wachstum fördern. Häufig werden etwa die Förderungen für Hochschulen gestrichen. Doch das ist kontraproduktiv. (Gerald John, DER STANDARD, Printausgabe, 10.1.2012)