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"Wir lassen uns nicht auf eine Sozialschmarotzerdebatte ein. Ich bin nicht der Hängematten-Konstruierer, ich bin der Sprungbrett-Konstruierer."

APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH

Die Einführung der bedarfsorientierten Mindestsicherung wurde schon ein paar Mal verschoben, vor knapp zwei Wochen hat die Bundesregierung bei ihrer Klausur aber den 1. September als fixen Starttermin genannt. Heute, Dienstag, soll die Mindestsicherung auch im Ministerrat offiziell beschlossen werden.

Zweifel in den Bundesländern

Geht es nach Politikern aus einzelnen Bundesländern, wackelt aber der aktuell geplante Starttermin. Im Ö1-Mittagsjournal am Montag bezweifelten Ländesräte aus Salzburg, Oberösterreich, Kärnten und der Steiermark, dass sie die Mindestsicherung mit 1. September einführen können. Niederösterreich, Wien, Burgenland und Vorarlberg hingegen haben laut eigenen Angaben keine Probleme damit. Sozialminister Rudolf Hundstorfer beruhigte bei einem Hintergrundgespräch am Montagnachmittag umgehend. Wenn es nicht alle Länder rechtzeitig schaffen, die Richtlinien umzusetzen, werde es in einzelnen Bundesländern eben rückwirkende Zahlungen geben müssen.

Eines der Länder, wo man zuversichtlich ist, bis September alles unter Dach und Fach zu bringen ist Vorarlberg: "Wir schaffen das auf jeden Fall", kündigte ÖVP-Landesrätin Greti Schmid im Ö1-Journal an. In Oberösterreich sieht die Situation anders aus. Der zuständige oberösterreichische Landesrat Josef Ackerl (SPÖ) glaubt nicht daran, den Termin einhalten zu können. Er hält es für realistischer, dass Personen mit Anspruch auf Mindestsicherung diese dann rückwirkend - erst im Jänner 2011 - erhalten. Dasselbe kann man sich auch in der Steiermark vorstellen.

Rückwirkende Zahlungen

Und das ist genau jener Weg, den sich auch Sozialminister Hundstorfer vorstellen kann. In allen Bundesländern, in denen es sich ausgeht, soll die Mindestsicherung ab 1. September schlagend werden. Dort, wo es sich aufgrund der Gesetzesanpassungen nicht ausgeht, müsse man rückwirkende Zahlungen an die Betroffenen vereinbaren. 

Hundstorfer sagte, dass sich die Einführung bis September dann ausgehen würde, "wenn alle wollen". Der Termin sei mit allen Bundesländern vereinbart. Der 1. September sei kein "Termin mit Fragezeichen", sondern eine "sportliche Herausforderung".

Nicht Hängematten-, sondern Sprungbrett-Konstruierer

Von ÖVP-Generalsekretär Fritz Kaltenegger war kürzlich in Zusammenhang mit der Mindestsicherung und der geplanten Transparenzdatenbank eine "Sozialschmarotzerdebatte" losgetreten worden. Hundstorfer versuchte der ÖVP den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Mindestsicherung sei keine "Hängemattenkonstruktion, wo man sich ausruhen kann". Es handle sich vielmehr um eine Vereinheitlichung des Sozialhilfesystems vom Bodensee bis zum Neusiedlersee. "Wir lassen uns nicht auf eine Sozialschmarotzerdebatte ein. Ich bin nicht der Hängematten-Konstruierer, ich bin der Sprungbrett-Konstruierer", sagte Hundstorfer.

Er will Menschen in bestimmten Phasen helfen, die Betroffenen sollen möglichst rasch wieder ihre Arbeitsfähigkeit erhalten. Es sei nur eine kleine Gruppe, die ewig von der Mindestsicherung leben werde. Hundstorfer nannte rund 13.000 Personen, die kein anderes Einkommen zur Verfügung haben.

Kürzungen bei Schwänzen von Schulungen

Außerdem soll es auch Sanktionsmaßnahmen geben. Wenn Schulungen nicht besucht werden, soll es zu Kürzungen kommen.

Der Sozialminister geht davon aus, dass es maximal einen zweiprozentigen Anteil an Missbrauchsfällen geben wird. Nicht 20 Prozent, wie es Kaltenegger in Anlehung an den deutschen Vizekanzler Guido Westerwelle gemeint hatte.

"Kein politisches oder bürokratisches Projekt"

Kritik an den Ländern kam am Montag von den Grünen. "Die zur Minisicherung reduzierte Mindestsicherung steht seit 2006 im Regierungsprogramm. Wer davon überrascht ist und nicht vorgesorgt hat, agiert unseriös", meinte Sozialsprecher Karl Öllinger in einer Aussendung. "Vielleicht können sich das die Länderbürokraten nicht vorstellen, aber für jemanden, der 500 Euro im Monat zur Verfügung hat, ist die Mindestsicherung kein politisches oder bürokratisches Projekt, sondern eine Existenzfrage". (rwh, derStandard.at, 15.3.2010)