Wien - Richter und Staatsanwälte sind mit dem überarbeiteten Entwurf für die Vorverfahrensreform nicht zufrieden. Ihre Hauptkritikpunkte sind nach wie vor, dass das Weisungsrecht des Ministers gegenüber den Staatsanwälten nicht abgeschafft und die Personalaufstockungen nicht ausreichend seien. An der Ablehnung des Reformvorhabens habe sich nichts geändert, betonten die Vorsitzende der Vereinigung der Österreichischen Staatsanwälte, Brigitte Bierlein, und der Vizepräsident der Richtervereinigung, Wolfgang Aistleitner, Dienstag. Beide bedauerten, vom Regierungsentwurf nur aus den Medien erfahren zu haben und ihn noch nicht im Detail zu kennen - und auch, dass Richter und Staatsanwälte nicht in die Erarbeitung der Vorlage eingebunden worden seien. "Es ist bedauerlich, dass unsere Argumente untergegangen sind. Unsere Wünsche wurden nur marginal berücksichtigt", erklärte Bierlein. Die geplante Aufstockung der StA - um 90 Personen, bei Wegfall von 20 Untersuchungsrichtern - reiche bei weitem nicht, um die Reform wirklich umsetzen zu können. "Die Mindestanforderung ist eine Verdoppelung der derzeit ca. 220 Staatsanwälte." Zudem seien bei den Richtern wohl kaum Einsparungen möglich. Bierlein kritisierte, "dass sich bei den Weisungen nichts tut" - und gleichzeitig ein "unangemessen extremer Rechtsschutz" eingeführt werde. Offenbar versuche man, Kritik an dem ausgeweiteten Aufgabenfeld der weisungsgebundenen Staatsanwälte dadurch zu verhindern, dass "man über alles und jedes den Richter drübergesetzt hat". "Unsinnige Doppelgleisigkeiten" würden entstehen. "Höchst problematisch" sei das neue Klagserzwingungsverfahren. Aus Sicht Bierleins ist die Regelung über den Rechtszug im Zweckmäßigkeitsbereich - also nicht nur bei Grundrechten - von der Polizei über den Staatsanwalt zum Gericht "problematisch". "Dass man ein verfassungswidriges Gesetz in Kauf nimmt, hätte ich nicht erwartet." Auch Aistleitner ist überzeugt, dass für das Klagserzwingungsverfahren eine Verfassungsbestimmung nötig sein werde - wenn das Gericht über Antrag des Tatopfers die Staatsanwaltschaft zwingen kann, weiter zu verfolgen. Das von Böhmdorfer als Kompromiss aufgenommene Klagserzwingungsverfahren ist für die Richter jedenfalls kein Ersatz für ein Abgehen vom Weisungsrecht des Ministers gegenüber den Staatsanwälten. "Unsere fundamentale Ablehnung gegen das Werk bleibt, weil sich da nichts änderte", erklärte er. Die Richtervereinigung werde der StPO-Reform nur zustimmen, wenn sowohl das Weisungsrecht verändert als auch ausreichend Personalaufstockungen vorgenommen werden. Auch aus Aistleitners Sicht werden 70 Staatsanwälte mehr "sicher zu wenig sein" - und die Richter könnten sicherlich auf niemanden verzichten. Das Klagserzwingungsverfahren ist für die Richter kein Äquivalent für das Belassen des Weisungsrechts, weil dieses Verfahren einerseits nur dort greifen könne, wo es Tatopfer gibt. Und das sei gerade bei heiklen Fällen, wo sich die Justiz in ihrer Unabhängigkeit bewähren müsse, meist nicht der Fall, z.B. in der Causa Noricum. Außerdem komme letztlich, auch wenn das Gericht eine Einstellung eines Verfahrens prüfe, wieder der weisungsgebundene Staatsanwalt zum Zug, "damit ist alles wieder im alten Weisungssystem". (APA)