Wien - Die Wirtschaftskammer mengt sich wieder verstärkt in die Diskussion um die Sanierung der Krankenkassen ein. Präsident Christoph Leitl (V) forciert im Gespräch mit dem "Neuen Volksblatt" (Donnerstag-Ausgabe) die Einführung von Selbstbehalten im ASVG-Bereich: "Das sollte man sich absolut anschauen". Es sei darüber zu diskutieren, warum gerade diejenige Versicherung positiv abschließe, die einen Selbstbehalt einhebe, verweist Leitl auf das Plus bei der Gewerblichen Sozialversicherung. Auch dem Vorstoß seines stellvertretenden Generalsekretärs Reinhold Mitterlehner bezüglich höherer Beiträge für die Wiener Versicherten kann der Wirtschaftskammer-Präsident offenbar etwas abgewinnen: "Es kann nicht so sein, dass sich etwa Wien mehr leistet als Oberösterreich, dafür dann aber die Oberösterreicher zur Kasse bitten will". Notwendig sei jedenfalls die Definierung einheitlicher Leistungsstandards in ganz Österreich. Skeptisch ist Leitl bezüglich der Überlegungen, den Ausgleichsfonds der Träger zu Gunsten der finanzschwachen Kassen umzugestalten: "Es kann jedenfalls nicht so sein, dass man den gesünderen Kassen etwas aus der Tasche herausnimmt und den schwächeren hineinsteckt". So werde nicht der Kranke gesund sondern auch der Gesunde krank. Von Seiten der FPÖ wird indes der Druck auf die Geschäftsführung im Hauptverband der Sozialversicherungsträger erhöht, das lange erwartete Sanierungspapier vorzulegen. Sozialsprecher Reinhart Gaugg meinte in der "Kleinen Zeitung": "Die hoch bezahlten Manager sollen sich gefälligst dahinter klemmen und ein Gesamtkonzept vorlegen. Sonst brauchen wir sie nicht." Krankenkassen: Für Bures verabschiedet sich Leitl vom Solidargedanken SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures übt Kritik an Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl im Zusammenhang mit der Krankenkassen-Sanierung. Offenbar werfe die Wirtschaftskammer den Solidaritätsgedanken über Bord, meinte sie per Aussendung in Anspielung auf den Vorstoß Leitls, im ASVG-Bereich weitere Selbstbehalte einzuführen. Die SPÖ lehne diesen Ansatz entschieden ab, betonte Bures. Insgesamt sieht sie bei den Regierungsparteien "absolut chaotische Zustände" in der Gesundheitspolitik. **** "Da werden wild durcheinander Forderungen aufgestellt, die bei allen Widersprüchen eines gemeinsam haben: Sie gehen zu Lasten der Versicherten", sagte Bures. Sie verwies hier auf den gestrigen Vorschlag des ÖVP-Abgeordneten und Wirtschaftskammerfunktionärs Reinhold Mitterlehner, der in Wien die Krankenversicherungsbeiträge erhöhen will. Nun habe auch Leitl diese selektive Beitragserhöhung gut geheißen, obwohl sich die ÖVP stets gegen Beitragserhöhungen ausgesprochen hat. Von der FPÖ-Gesundheitspolitik hält Bures gleichermaßen wenig. Sozialminister Herbert Haupts Festhalten an der "sozialpolitisch und gesundheitspolitisch falschen" Ambulanzgebühr sei nicht zu rechtfertigen. Überdies sei von ihm "kein einziger zielführender Vorschlag" zur Weiterentwicklung und finanziellen Absicherung des Gesundheitssystems gekommen. Sallmutter sieht Gefahr neuer Selbstbehalte Kritik an der Gesundheitspolitik der Regierung kommt nun auch vom ehemaligen Präsidenten des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger, Hans Sallmutter. Das Konzept bestehe offensichtlich in 'Augen zu und durch' bis zum nächsten Wahltermin, ohne über längerfristige Lösungsvorschläge nachzudenken, erklärt der Vorsitzende der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA), in einer Aussendung. Der derzeitigen Hauptverbands-Führung rät er, sich von der Politik nicht missbrauchen zu lassen. Es ist zwar die Aufgabe der Sozialversicherung, Lösungsvorschläge zu unterbreiten. Sie dürfe sich aber von der Politik nicht eine Verantwortung umhängen lassen, welche die Politik selbst übernehmen müsse. "Was sonst ist die Aufgabe eines Staatssekretärs, der monatlich 14.535 Euro (200.000 Schilling) Steuergelder kassiert, als die längerfristige Erarbeitung von Konzeptionen einer Gesundheitspolitik, die den Menschen zugute kommt." Erfülle er diese Aufgabe nicht, so sei seine Funktion zu hinterfragen. Auf Grund der neuen politischen Mehrheitsverhältnisse im Hauptverband und der bekannten Positionierung des Geschäftsführers sieht der GPA-Vorsitzende die Gefahr der Einführung neuer Selbstbehalte. Das bestätigte heute auch Wirtschaftskammer-Chef Leitl in einem Interview: "Immerhin erkennt auch Präsident Leitl, dass ein akuter einnahmenseitiger Handlungsbedarf besteht", so Sallmutter. (APA)