Wien - Die Koalitionsparteien haben die Parole ausgegeben: keine Pensionsdebatte. Auch wenn sich manche nicht daran halten und, wie zuletzt Wirtschaftskämmerer Reinhold Mitterlehner, Diskussionen über die Erhöhung des Frauenpensionsalters einfordern - die Parteichefs blieben Dienstag nach dem Ministerrat strikt bei der Linie. So betonte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, dass eine Anhebung des Frauenpensionsalters nicht zur Debatte stehe. Dazu gebe es erstens eine Verfassungsbestimmung und zweitens sei es nicht sinnvoll, eine punktuelle Regelung herauszugreifen. Zudem habe die Regierung in Sachen Pensionsreform ihre Aufgabe für diese Legislaturperiode erfüllt. Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer assistierte: Nur ein Mitglied eines Unterausschusses eines Unterausschusses einer Expertengruppe, die nicht einmal ihren Endbericht vorgelegt habe, habe den Vorschlag zur Anhebung des Frauenpensionsalters gemacht.

Dieser Meinung konnte sich die Junge ÖVP (JVP) nicht anschließen: Sie hält eine Angleichung des Frauenpensionsantrittsalters an jenes der Männer bis 2010 für realistisch. ÖVP-Sozialsprecher Gottfried Feurstein wiederum überlegt, bereits ab 2005 die nächsten Maßnahmen zur Erhöhung des Frühpensionsalters zu setzen. Ein Vorstoß, dem Sozialminister Herbert Haupt für die FPÖ wenig abgewinnen kann: In Sachen Pensionsreform solle man nun die eingerichteten Arbeitskreise in Ruhe arbeiten lassen. "Einiges an Charme" habe aber der Vorschlag von IHS-Chef Bernhard Felderer, der sich für die gänzliche Freigabe des Pensionsantrittsalters ausgesprochen hatte. Dabei müsse man der Bevölkerung aber auch sagen, dass mit früherem Pensionsantritt höhere Abschläge verbunden wären.

Karl Blecha, Präsident des Pensionistenverbandes, sorgte Dienstag für die erste SPÖ-Stimme, die eine Anhebung des Pensionsalters nicht völlig ausschließt. Er kann sich eine Anhebung vorstellen, wenn die Voraussetzungen, wie gezielte Beschäftigungsprogramme für Ältere, geschaffen werden. In Österreich sei die Erwerbsquote der 55- bis 64-Jährigen mit 30,4 Prozent sehr niedrig. (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 20. 3. 2002)