Wien - Ein heftiger Streit ist wegen der für Montag und Dienstag kommender Woche von Justizminister Dieter Böhmdorfer (FPÖ) geplanten Enquete "Pressefreiheit und Persönlichkeitsschutz in der EU" entbrannt. Anlass dafür ist ein Informationsschreiben an ausländische Gäste von SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim. Wie DER S TANDARD berichtete, erklärt Jarolim darin, dass Böhmdorfer selbst wegen seiner Politik Gegenstand der Veranstaltung sein müsste.

Böhmdorfer verteidigte daraufhin am Freitag bei einer Pressekonferenz gemeinsam mit FPÖ-Generalsekretär Peter Sichrovsky die Veranstaltung. Letzterer griff Jarolim scharf an: Dessen Schreiben an ausländische Gäste sei "faschistoid". FPÖ-Justizsprecherin Helene Partik-Pablé sprach von "Vernaderung Österreichs im Ausland".


"Bock zum Gärtner"

SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Andrea Kuntzl konterte: "Der Justizminister ist nicht in der Lage, die nötige Trennung zwischen ministerieller Arbeit und Parteiagitation einzuhalten". Darin zeige sich, "dass die FPÖ nicht regierungsreif ist". Sichrovsky habe "in skandalöser Weise das Wort faschistoid benutzt, um der SPÖ einen Maulkorb zu erteilen, wenn sie sich für die Meinungsfreiheit einsetzt".

Die grüne Justizsprecherin Terezija Stoisits schloss sich der Kritik an der Medienenquete an: In dieser Veranstaltung werde "der Bock zum Gärtner gemacht". Im Mittelpunkt sollte "eigentlich der Umgang des Dr. Böhmdorfer mit der Medienfreiheit stehen". Schließlich habe er Jörg Haiders Forderung nach strafrechtlicher Verfolgung politischer Gegner als verfolgenswert und Haider im Zuge der Ermittlungen über den Spitzelskandal als "über jeden Zweifel erhaben" genannt und den "Journalistenknebelungs- paragraphen" vorgeschlagen. "Nicht verwunderlich" ist für Stoisits angesichts dessen, dass Böhmdorfer zu der Enquete aus dem Inland nur den FPÖ-nahen Richter Ernest Maurer und den Rechtsanwaltsanwärter Michael Rami aus der Kanzlei Böhmdorfer-Gheneff eingeladen habe.

Böhmdorfer verteidigt Rami

Böhmdorfer verteidigt Rami als einen der "besten Medienexperten des Landes". Daraus, dass jemand in seiner früheren Kanzlei arbeite, sollte niemandem ein Nachteil entstehen. Bei der Medienenquete gehe es um einen Vergleich der Medienrechte in verschiedenen europäischen Staaten. Er habe im Vorfeld eine vergleichende Untersuchung erstellen lassen. Anhand dieser Studie solle das Spannungsfeld zwischen Persönlichkeitsrecht, Informationsrecht und Meinungsfreiheit diskutiert werden.

Für Diskussionen sorgt der Vorschlag des Justizministers, dass Verfassungsrichter hauptberuflich tätig sein sollten und die Einführung der "dissenting opinion" bei Erkentnissen des Höchstgerichts. Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), Ludwig Adamovich, erklärte, die Frage der Hauptberuflichkeit der Höchstrichter müsse auf "politischer Ebene entschieden" werden. Vizepräsident Karl Korinek lehnt dies ab, weil sonst eine "abgehobene Kaste" ohne Praxiserfahrung entstehen könnte. Er ist außerdem gegen die "dissenting opinion", die Adamovich "persönlich" wiederum nicht für schlecht hält. (ina, APA, DER STANDARD, Printausgabe,9./10.2.2002)