Rom – Der Rücktritt des parteilosen italienischen Außenministers Renato Ruggiero hat Ministerpräsident Silvio Berlusconi unter Druck gesetzt. Der einflussreiche Fiat-Ehrenpräsident Gianni Agnelli sprach am Sonntag von einem "schlechten Tag für Italien", der dem Land und der Mitte-Rechts-Regierung schade. Ruggiero, einstiger Chef der Welthandelsorganisation WTO, trat am Samstagabend nach heftigem Streit mit Berlusconi zurück. Der Premier hatte zuvor im Zuge der Euro-Debatte gesagt: "Die Außenpolitik mache ich"; Ruggiero sei lediglich ausführendes Organ. Dieser sah sich damit herabgesetzt und demissionierte. Es war der erste Ministerrücktritt seit dem Wahlsieg Berlusconis im Mai.

Kampf um Nachfolge

Wer neuer Außenminister wird, war am Sonntag noch unklar, jedenfalls ist in den Machtzentralen am Tiber bereits ein harter Kampf entbrannt. Berlusconi will keinem Fachmann mehr, sondern einen Parteigänger. Laut gut informierter Kreise gilt Staatssekretär Gianni Letta, ein enger Berater Berlusconis, als aussichtsreichster Kandidat. Als Alternative wird Verteidigungsminister Antonio Martino genannt, der bereits 1994 in der ersten Regierung Berlusconi das Außenministerium führte. Auch Europaminister Rocco Buttiglione ist im Gespräch, hat aber nach Ansicht politischer Beobachter nur geringe Chancen auf das Amt, da er nicht zum engsten Kreis der Vertrauensmänner des Medientycoons gehört. Auch der Vize-Premier und Chef der post-faschistischen Alleanza Nazionale, Gianfranco Fini, werden Chancen eingeräumt.

Umberto Vattani im Gespräch

Berlusconis Absicht, einen Parteipolitiker zu nehmen, könnte heftig mit der Einstellung von Staatspräsident Carlo Azeglio Ciampi kollidieren. Dieser will einen "Europa-Freund von höchstem Profil". Ciampi, der das letzte Wort bei der Ernennung des neuen Ministers hat, unterstützt die Kandidatur des italienischen Botschafters bei der EU, Umberto Vattani.

Mitte-Links-Oppositionsführer Francesco Rutelli sieht Schaden für die Regierung

Mitte-Links-Oppositionsführer Francesco Rutelli sprach in einer ersten Reaktion von einer "desaströsen Krise" und einem "sehr schweren Schaden" für die Regierung und das internationale Ansehen Italiens. Aus dem Ausland meldeten sich EU-Kommissionspräsident Romano Prodi und Belgiens Außenminister Louis Michel zu Wort. Prodi forderte Kontinuität in der italienischen Außenpolitik, Michel bezeichnete den Rücktritt Ruggieros als "Sieg der Anti-Europäer".

Italiens Reformenminister Umberto Bossi, Chef der italienischen rechtspopulistischen Lega Nord, feiert hingegen den Rücktritt Ruggieros. Der "raue Volkstribun aus der Lombardei", der stets das "Europa der tyrannischen Bürokraten" anprangert, interpretierte italienischen Medienberichten zufolge den Rücktritt des ehemaligen WTO-Generaldirektors hauptsächlich als Erfolg der europa-kritischen Strategie der Lega Nord.

"Persönlichen Kräftemessen"

Italienische Kommentatoren bedauerten nahezu einmütig das Ausscheiden Ruggieros. Damit verliere die seit Juni regierende Mitte-Rechts-Koalition ihr "politisches Schwergewicht". Außerdem würden nun in den europäischen Hauptstädten wieder Zweifel an der Regierung Berlusconi und ihrer Europapolitik wachsen.

Beobacher in Rom meinten überwiegend, es sei bei dem Streit weniger um das Sachthema Euro gegangen. Ruggiero und Berlusconi stehen beide hinter der Einführung des Euro. Das staatliche Fernsehen sprach von einem "persönlichen Kräftemessen" der beiden Kontrahenten. Ruggiero hatte den Konflikt ausgelöst, indem er einige "Euro-Skeptiker" im Kabinett kritisierte. Er hatte dabei besonders Bossi im Auge, der gesagte hatte : "Ich pfeife auf den Euro."

In Regierungskreisen hieß es am Wochenende, die pro-europäische italienische Außenpolitik werde sich nicht ändern, es werde Kontinuität gewahrt werden. (APA/dpa)