Wien - Mit einem Krankenschein mehrere Arztbesuche erledigen: Das wird mit der 58. ASVG-Novelle, die am Dienstag nach monatelangen Verzögerungen im Ministerrat beschlossen wurde, ab Mitte des Sommers möglich sein. Durch die Gesetzesänderung ist die rechtliche Basis für die Einrichtung so genannter Ärzte-Gruppenpraxen geschaffen.

Gesundheitsstaatssekretär Reinhart Waneck (FP) freute sich, dass eine "zwölfjährige Leidensgeschichte" der Verhandlungen beendet sei. Gruppenpraxen sollen die medizinische Versorgung, vor allem in entlegenen Gebieten, verbessern und die Spitalsambulanzen entlasten. Sie werden einer Qualitätsprüfung unterliegen. Schon bisher konnten Ärzte lose in Form von Gemeinschaftspraxen zusammenarbeiten.

O Der wichtigste Unterschied dazu ist, dass Gruppenpraxen nur mehr einen einzigen Kassenvertrag abschließen müssen und nicht mehr jeder Arzt einen Einzelvertrag. Patienten können mit einem Krankenschein alle in der Praxis zusammengeschlossenen Ärzte - gleicher oder verschiedener Fachrichtung - besuchen.

O Allerdings bekommen Gruppenpraxen gewisse Verpflichtungen: Sie haben verlängerte Öffnungszeiten (35 statt 20 Wochenstunden Anwesenheit des Arztes in der Praxis), müssen an Wochenenden und Feiertagen Bereitschaftsdienst leisten und einen behindertenfreundlichen Zugang haben.

O Alle fünf Jahre wird evaluiert, ob sie die von der Ärztekammer definierten Qualitätskriterien erfüllen. Die Ärztekammer hat nach Inkrafttreten des Gesetzes ein Jahr Zeit, diese Kriterien auszuarbeiten, so Waneck. Und das ist der zeitliche Horizont: Die Novelle soll in der ersten Juliwoche im Parlament beschlossen werden. Sofort mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt - voraussichtlich im August - wird die Neuregelung gelten, erklärte Waneck.

Die Sozialversicherung begrüßte den Ministerratsbeschluss. Hauptverbandspräsident Hans Sallmutter sagte, dass Gruppenpraxen wegen gemeinsamer Anschaffungen wirtschaftlicher arbeiten könnten. Dass die Spitalsambulanzen durch die Gruppenpraxen entlastet werden, glaubt er nicht - "weil den Kassen für Parallelstrukturen zu den Ambulanzen die finanziellen Mittel fehlen".

Grünen-Gesundheitssprecher Kurt Grünewald forderte die Einbeziehung aller freiberuflich ausübbaren Gesundheitsberufe und eine flächendeckende Planung des Leistungsangebots. (DER STANDARD, Print- Ausgabe, 23. 5. 2001)