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Entscheidender Streitpunkt der Gesundheitsreform war, ob die bundesweit tätigen Kassen wie jene für Beamte und Bauern Sonderrechte erhalten.

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Entscheidender Streitpunkt der Gesundheitsreform war, ob die bundesweit tätigen Kassen wie jene für Beamte und Bauern Sonderrechte erhalten.

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Wien - Die Gesundheitsreform zur Sanierung der Krankenkassen ist fürs Erste gescheitert. Auch eine letzte Verhandlungsrunde am Sonntag im Parlament hat keine Einigung gebracht. Nach der Sommerpause will man mit den Verhandlungen neu beginnen. Die parlamentarischen Verhandlungen zur Gesundheitsreform waren am Sonntagabend mit der Hoffnung, in letzter Minute eine Einigung zu erzielen, aufgenommen worden. Um 19.00 Uhr trafen sich die Verhandlungsteams von SPÖ und ÖVP, kurz vor 21 Uhr wurde bekannt, dass keine Einigung zustande kommt.

Grund für die Nichteinigung waren die Kontrollrechte der geplanten Holding der Sozialversicherungsträger. Teile der ÖVP beharrten darauf, die bundesweiten Sozialversicherungsträger von den strengeren Kontrollmechanismen auszunehmen. Die SPÖ lehnte das ab. Der Vorschlag der Sozialdemokraten, nur Teile des Pakets zu beschließen, wurde wiederum von der ÖVP abgelehnt.

In der ÖVP wurde dies freilich offiziell nicht bestätigt. VP-Verhandler und ÖAAB-Generalsekretär Werner Amon betonte, punkto Kontrollrechte für die Sozialversicherungs-Holding dem Verhandlungspartner in mehreren Punkten entgegengekommen zu sein. Eine vollständige Gleichbehandlung der bundesweiten mit den regionalen Kassen sei allerdings nicht gerechtfertigt, da es bei den bundesweiten Trägern ohnehin zusätzlich staatliche Kontrolle gebe.

ÖVP-Klubobmann Wolfgang Schüssel betonte ebenfalls, dass man mit einem "Kompromissvorschlag" in die finalen Verhandlungen gegangen sei, die von der SPÖ abgelehnt wurden. Im Sozialpartnerpapier sei außerdem "kein Wort davon gestanden", dass die bundesweiten Träger in der Kontrollversammlung mit den Gebietskrankenkassen gleich gestellt werden sollten. Wirtschaftsbund-Generalsekretär Karl-Heinz Kopf sprach lediglich davon, dass es im parlamentarischen Prozess leider "viele Einflüsse von Lobbying-Gruppen" gebe.

Ärzte sprachlos

Sprachlos waren bis am späten Sonntagabend die Ärzte. Sie waren für eine Stellungnahme vorerst nicht zu erreichen. Die für heute, Montag, anberaumte Großdemonstration dürfte trotz der nun verworfenen Reformmaßnahmen stattfinden. Ob die Ärzte auch an den für kommenden Dienstag und Mittwoch geplanten Ordinationsschließungen festhalten, ist allerdings zweifelhaft.

Der für heute anberaumte Sozialausschuss soll laut Oberhauer trotz des Scheiterns der Gespräche stattfinden. Die Regierungsvorlage zum Kassenfinanzierungspaket dürfte bei der Sitzung demnach vertagt werden. Das genaue Prozedere stand Sonntagabend aber noch nicht fest.

Cap: Neugebauer trägt Schuld am Scheitern

SPÖ-Klubobmann Josef Cap gab die Schuld explizit ÖAAB-Chef Fritz Neugebauer, der für seine Beamtenkrankenkasse eine "Extrawurscht" bei den Kontrollrechten haben wolle.

Oberhauser: SPÖ hätte die Verhandlungen problemlos positiv beenden können

"Wir hätten die Verhandlungen über die Gesundheitsreform problemlos heute oder bereits vergangene Woche positiv beenden können, wenn der ÖVP die Interessen der Patienten wirklich ein Anliegen gewesen wäre", sagte Oberhauser.

Die ÖVP habe zwei unterschiedliche Kontrollsysteme installieren wollen - ein scharfes für die Gebietskrankenkassen, ein wesentlich schwächeres für die von der ÖVP bestimmten Beamten- und Bauernkrankenversicherungen. "Die SPÖ hat kein Problem mit einer schärferen Kontrolle, nur muss sie dann für alle Träger gleich sein", so Oberhauser.

"Verstärkte Kontrolle"

"Von Seiten der ÖVP bedauern wir, dass die Verhandlungen zur Kassensanierung auf Herbst verschoben sind", so Amon am Sonntag in einer Aussendung. "Die SPÖ wollte bis zuletzt nicht einsehen, dass es bei den Gebietskrankenkassen aufgrund der zum Teil dramatischen Situation eine verstärkte Kontrolle braucht", betonte Amon.

Die SPÖ wollte, dass bei den bundesweiten Trägern zusätzlich zur "gut funktionierenden und vorhandenen staatlichen Kontrolle" die Kontrollversammlungen die gleichen Kontrollrechte bekommen wie bei den Gebietskrankenkassen. Selbst diesen Wunsch hätte die ÖVP weitestgehend erfüllt, aber auch das habe die SPÖ nicht akzeptiert. "Wir haben zunehmend den Eindruck gewonnen, dass die Einigung nicht an inhaltlichen Fragen gescheitert ist, sondern dass machtpolitische Gründe bei der SPÖ eine Rolle gespielt haben", meinte Amon.

Keine Finanzspritze für Kassen

Nach dem Scheitern wird es auch vorerst keine Finanzspritze für die Krankenkassen in der Höhe von 450 Millionen Euro geben, wie Amon nach dem Gespräch bestätigte. Wie es nun mit den geplanten Reformmaßnahmen weitergeht, ist unklar. Mehrere Verhandlungsteilnehmer sprachen sich aber nach dem Gespräch für einen kompletten Neuanfang aus.

Auch ÖGB bedauert Scheitern

ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer bedauerte Sonntagabend in einer Aussendung das Scheitern: "Gerade weil der ÖGB bei all seinen Bemühungen um eine Gesundheitsreform ausschließlich das Wohl der PatientInnen in den Mittelpunkt stellt, ist er entsetzt, dass sich die Regierungsparteien nicht auf die Reform einigen konnten." Es sei bedauerlich, dass wegen interner Machtkämpfe und dem Verfolgen von Partikularinteressen die Fortführung und Absicherung des österreichischen Gesundheitssystems bedroht werde. Wenn nicht rasch etwas geschehe, drohen in absehbarer Zeit Leistungseinschränkungen und neue Selbstbehalte für die Patienten.

"Der ÖGB wäre bereit gewesen, sehr weit über seinen Schatten zu springen und weitgehende Zugeständnisse zu machen. Das alles, um den PatientInnen neue Belastungen zu ersparen und das System der Selbstverwaltung abzusichern. Das ist leider gescheitert", erklärt ÖGB-Präsident Rudolf Hundstorfer.

Öllinger: "Absolut verantwortungslos"

Der Grüne Sozialsprecher Karl Öllinger hat nach dem Scheitern der parlamentarischen Verhandlungen über die Gesundheitsreform den beiden Regierungsparteien vorgeworfen "absolut verantwortungslos" zu handeln. Sie hätten es nicht einmal geschafft, die Kassensanierung noch vor dem Sommer zu verabschieden, kritisierte Öllinger Sonntagabend gegenüber der APA.

Der Grüne Sozialsprecher verwies auf den Vorschlag seiner Partei, den Rest der Reformpunkte im Herbst zu verhandeln. Nun bestehe die Gefahr, dass die Wiener Gebietskrankenkasse in den Konkurs abgleite. "Ein Spiel mit dem Feuer", kommentierte Öllinger.

Haubner: "SPÖ und ÖVP geht es nur um Macht"

Als "Armutszeugnis für die rot-schwarze Bundesregierung" hat BZÖ-Gesundheitssprecherin Ursula Haubner das Scheitern der Gesundheitsreform bezeichnet. "Es zeigt sich, dass es SPÖ und ÖVP nie um die Sicherung der Gesundheit der Menschen und um die Anliegen der Patientinnen und Patienten gegangen ist, sondern nur um Macht, Einfluss und Kontrolle", meinte sie in einer Aussendung. (APA, red)