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Gerhart Holzinger wird neuer Präsident des Verfassungsgerichtshofes.

Foto: APA-FOTO: BARBARA GINDL
Gerhart Holzinger kann etwas, das in Österreich gar nicht so leicht ist: Er vermittelt SPÖ und ÖVP das Gefühl, ihnen gleich nah oder fern zu stehen. Quasi ein parteipolitisches Neutrum. Und das seit Jahrzehnten. Der 60-Jährige wirkt wie die personifizierte Äquidistanz. Er kann mit den Roten und mit den Schwarzen, und beide Parteien reden in den höchsten Tönen von ihm.

Nur konsequent, wie der neue Präsident des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) sein Credo beschreibt: „Absolute politische Neutralität und Abstinenz.“ In diesem Neutralitätsfeld hat eine studentische Vergangenheit im konservativen, ÖVP-nahen Cartellverband gut Platz neben einer Karriere, die maßgeblich unter SPÖ-Ministern in Fahrt kam, aber auch von ÖVP-Leuten gepusht wurde. Mit der Nachfolge von Karl Korinek wird für den Verfassungsrichter nach 13 Jahren im Höchstgericht (dort war er Referent in der Kärntner Ortstafel-Frage) „ein Lebenstraum wahr“.

Begonnen hat der gebürtige Oberösterreicher seine Karriere 1975 im Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts, dessen Leitung er auf Vorschlag von SPÖ-Minister Franz Löschnak mit nur 37 Jahren übernahm – und den er „sehr kräftig geleitet hat“, erzählt ein Jurist. Sehr kräftig ist die Umschreibung für „einen sehr durchsetzungsfähigen, geraden Menschen, gelegentlich mit leicht autoritären Neigungen“. Als Jurist sei der stete Menschenrechtsmahner „ein sehr guter Handwerker, der immer sehr hohe juristische Qualität“ abliefere. Auf Holzingers Qualitäten setzte 1990 ÖVP-Vizekanzler Josef Riegler und brachte ihn als Justizminister ins Spiel, zwei Jahre später stand er auf der Wunschliste von SPÖ-Kanzler Franz Vranitzky als Rechnungshofchef, 1995 setzte sich Vranitzky für den Wechsel in den VfGH ein. Als Leiter des Menschenrechtsbeirats wurde Holzinger 1999 von der SPÖ eingesetzt und 2002 von der ÖVP verlängert.

Neben den Paragrafen hat der Präsident der Österreichischen Juristenkommission noch eine ganz große Leidenschaft, die er ebenso systematisch und penibel betreibt: Er läuft und läuft und läuft – Marathons in aller Welt. Vor fünf Tagen schaffte er in Wien die 42,195 Kilometer in vier Stunden und 21 Minuten. Nicht genug: Holzinger ist ein „Ironman“, der 3,8 km schwimmt, dann 180 km Rad fährt und noch einen Marathonlauf dranhängt. Wenn’s einmal ein bisschen langsamer sein soll, dann ist der Vater zweier Töchter beim Oberösterreicherball in Wien zu finden – oder er lässt andere laufen: die Rapidler auf dem Spielfeld. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, Printausgabe, 2.5.2008)