Zur Person

Christoph Abermann (37) ist klassischer Homöopath und betreibt eine Arztpraxis in Gmunden. Er gründete während seines Medizinstudiums die StudentInnen Initiative Homöopathie, die bis heute zu einer der aktivsten Vereinigungen gehört.

Mit seiner französischen Lebensgefährtin hat er eine zweijährige Tochter.

Christoph Abermann vereint Welten. Er kennt die theoretischen Vorbehalte naturwissenschaftlich denkender Schulmediziner und sieht die Wirkung von Globuli empirisch.

Foto: Standard/Regine Hendrich
STANDARD: Wie gehen Sie an einen neuen Patienten heran? Wie trennen Sie hier zwischen Homöopath und Schulmediziner?

Abermann: Ich habe immer auch den Schulmediziner in mir. Meist kommen die Patienten jedoch mit einer langen Leidensgeschichte und einem Stapel Befunden zu mir, weil sie etwa einen chronischen Kopfschmerz nicht und nicht los werden. Deswegen bin ich diagnostisch seltener gefordert. Wenn jemand mit einer akuten Lungenentzündung zu mir kommt, ist das natürlich anders.

STANDARD: Chronische Krankheiten gelten ja als eine der Domänen der Homöopathie. Wie wirkt sie hier konkret?

Abermann: Wenn ich das wüsste, würde ich den Nobelpreis bekommen. Ich kann Ihnen aber sagen, warum es bei der Schulmedizin nicht funktioniert: Weil dort nur versucht wird, den Mechanismus der Krankheit zu beeinflussen, aber nicht die wirkliche Ursache. Ein typisches Beispiel wäre das prämenstruelle Syndrom vor dem Einsetzen der Regel. Das wird als Hormonstörung angesehen. Deshalb wird ein Hormon gegeben, aber nicht der Grund behandelt, warum diese Hormonstörung besteht.

STANDARD: Aber auch die Homöopathie behandelt ja nur die Symptome.

Abermann: Ja, auf den ersten Blick mag das so erscheinen. Jedoch macht die Homöopathie eben keine oberflächliche Symptombekämpfung, die Symptome werden lediglich als äußerer, wahrnehmbarer Ausdruck der inneren Störung betrachtet.

STANDARD: Welche Rolle spielt die sorgfältige Anamnese, das Reden mit dem Patienten?

Abermann: Von manchen wird behauptet, dass die Homöopathie nur wirkt, weil wir mit dem Patienten so viel reden und Zeit verbringen. Doch warum funktioniert dann die Methode auch bei Tieren oder Säuglingen? Es ist wohl nicht anzunehmen, dass diesen das ausführliche Arztgespräch so wichtig ist.

STANDARD: Ich meinte das gar nicht als Vorwurf, sondern als Frage, ob das ausführliche Gespräch nur dazu dient, das richtige Mittel zu finden, oder auch selbst Teil der Therapie ist?

Abermann: Auf lange Sicht ist es nur ein Mittel zum Zweck. Auf kurze Sicht hingegen merke ich, dass es schon vielen Patienten guttut und dass es auch einen Effekt hat, dass sie sich einmal haben aussprechen können und ihnen jemand länger zugehört hat als die berühmten drei Minuten beim Kassenarzt. Das kann aber sicher nicht die chronische Krankheit heilen. Dazu braucht es dann schon das richtige Mittel.

STANDARD: Homöopathen stehen oft kritisch zu Impfungen. Wie verhielt sich hier Hahnemann selbst?

Abermann: Soweit ich weiß, hat er die Pockenimpfung empfohlen, weil er sie für etwas Ähnliches hielt wie seinen homöopathischen Ansatz. Bei Impfungen wird ja auch etwas Ähnliches gegeben wie das, was die Krankheit verursacht.

STANDARD: Bloß wird eine Impfung prophylaktisch gegeben.

Abermann: Ja, und in einer materiellen Form. Das ist eigentlich der größte Unterschied. Eine Impfung ist ja nicht so weit verdünnt und verschüttelt, bis sie nur noch die Information enthält, sondern man gibt ja wirklich die abgeschwächten Erreger, während man bei der Untersuchung eines homöopathischen Mittels unterm Mikroskop nichts finden würde.

STANDARD: Die konkrete Wirkung der Homöopathie ist mit wissenschaftlichen Mitteln nicht zu beweisen. Ist es belastend, dass es sich deshalb immer um eine Glaubenssache handelt?

Abermann: An sich genügt es mir, zu wissen, dass Homöopathie wirkt, weil ich das in der Praxis an meinen Patienten sehe. Ich hoffe dennoch, dass es bald auch eine gut durchgeführte Metaanalyse dazu gibt.

STANDARD: Was regt denn Ihrer Meinung nach die Schulmediziner am meisten auf an der Homöopathie?

Abermann: Das ist der Vorgang der Potenzierung, des Verschüttelns und Verdünnens. Für einen rein schulmedizinisch - also rein mechanistisch denkenden - Menschen ist das überhaupt nicht nachvollziehbar und so unplausibel, dass sie über den Rest gar nicht mehr diskutieren wollen.

STANDARD: Gibt es irgendwann dennoch Frieden zwischen den beiden Richtungen?

Abermann: Das glaube ich nicht. Diese Diskussion wird noch in 200 Jahren weitergeführt werden. (Bert Ehgartner, DER STANDARD, Printausgabe, 21.4.2008)