Chefinspektorin Yüksel Grohs glaubt, dass mehr MigrantInnen der Polizei gut tun würden.

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Das Team von Wien braucht dich.

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Nur rund jeder hundertste Polizeibeamte hat Migrationsintergrund. Chefinspektorin Yüksel Grohs findet das schade, denn "in Wien hat laut aktueller Volkszählung ein Drittel der Bürger Migrationshintergrund." Grohs wünscht sich mehr Einwanderer der zweiten und dritten Generation bei der Polizei und unterstützt das Projekt "Wien braucht dich", das speziell diese Zielgruppe über den Polizeiberuf informieren will. Die türkisch-stämmige Polizistin weiß wovon sie spricht: Sie war die erste Frau mit Migrationshintergrund bei der Polizei, zu einer Zeit als gerade die ersten weiblichen Beamtinnen zugelassen wurden. "Ich hatte trotzdem keine großen Probleme", sagt Grohs.

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Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre holte Österreich viele Gastarbeiter zur Unterstützung ins Land – die wirtschaftliche Lage verlangte danach. So kam auch Grohs Familie nach Wien, sie war damals zwei Jahre alt. "Die Einstellung meiner Familie war, wie schon der Name Gastarbeiter sagt, dass wir hier ein paar Jahre arbeiten und dann in die Heimat zurückkehren", so Grohs. Doch es kam anders. Grohs, die heuer als Botschafterin des interkulturellen Dialogs fungiert, glaubt, dass auf beiden Seiten andere Erwartungshaltungen vorhanden waren: "Natürlich müssen die Einwanderer überlegen, wie sie sich besser einbringen können. Aber auch die Republik hat die Aufgabe, es den Leuten so angenehm wie möglich zu machen. Denn diejenigen, die hier geblieben sind, haben damals ja etwas geleistet. Das darf man nicht vergessen."

Integration durch Bildung

Bildung ist für Grohs die beste Maßnahme zur Integration. Die Chefinspektorin legte von Anfang an viel Wert darauf. Sie weiß, ihr Leben hätte anders verlaufen können, hätte sie nicht ihren starken Willen gehabt. Der kulturelle Hintergrund der Türkei spiele zumindest in ihrem Fall eine große Rolle, berichtet Grohs: "Ich stamme aus einer klassischen Arbeiterfamilie – in der nicht so großer Wert auf höhere Bildung gelegt wurde." Ihr Vater hatte die Idee, dass Grohs Friseurin werden und einen eigenen Salon in der Türkei eröffnen könnte. "Aus dir wird keine Friseurin, habe ich mir gedacht", sagt sie heute. Sie absolvierte die Berufsschule mit besten Noten und lernte Großhandelskauffrau.

Kurz nach Abschluss ihrer Ausbildung wurde Grohs auf ein Inserat der Polizei aufmerksam, die Anfang der 90er Jahre erstmals Frauen aufnahm. Bis dahin gab es nur so genannte Politessen, die den ruhenden Verkehr überwachten. Nach Beendigung der zweijährigen Ausbildung arbeitete Grohs sechs Jahre als Streifenpolizistin in der Josefstadt. "Auf der Streife war ich als Frau natürlich eine Rarität. Als gebürtige Türkin bin ich nicht so aufgefallen", sagt sie. "Viele Kollegen waren natürlich skeptisch, denn ich war ja nicht nur die erste Türkin, sondern auch eine der ersten Frauen bei der Polizei. Ich hatte beide Rollen inne", sagt Grohs.

"Wien braucht dich"

Nach sechs Jahren Streife wollte sich die Polizistin beruflich verändern. Sie absolvierte eine interne Aufstiegsprüfung und im Jahre 1999 den Chargenkurs für dienstführende BeamtInnen. Seit damals ist sie hauptamtliche Lehrerin im Bildungszentrum der Sicherheitsexekutive. Seit vergangenem Jahr ist sie bei der Aktion "Wien braucht dich" dabei, die vor allem junge MigrantInnen für den Polizeiberuf interessieren will. Die PolizistInnen gehen direkt zu Vereinen, Moscheen, Schulen und informieren Einwanderer.

Information, keine Protektion

Für Yüksel Grohs ist es wichtig klar zu stellen, was die Aktion bezweckt: "Es ist keineswegs so, dass wir alle aufnehmen, nur weil sie Migrationshintergrund haben. Das wird oft falsch verstanden. Wir gehen aber im Rahmen des Projekts gezielt auf Leute der zweiten und dritten Generation zu, informieren sie und laden sie ein, den Beruf des Polizisten und der Polizistin in die engere Wahl zu ziehen."

Sehr häufig wisse die betroffenen Zielgruppe über ihre Möglichkeiten am Arbeitsmarkt nicht Bescheid. Die Chefinspektorin vermutet hier viele Ressourcen, die brach liegen: "Es ist viel sprachliches und kulturelles Wissen vorhanden. Es wäre sicher im Sinne der Gemeinschaft, dieses Potential zu nutzen und diesen Leuten Perspektiven zu zeigen." Denn einmal Arbeiter sein, heiße nicht, dass die ganze Familie immer Arbeiter bleiben müsse. "Da sind wir wieder bei den Problemen aus den 60er und 70er Jahren, die teilweise noch immer vorhanden sind", meint die Polizistin.

Hürden und Chancen

Grohs kennt die Hürden, an denen viele BewerberInnen scheitern: "Für viele MigrantInnen ist die schriftliche Dienstprüfung ein Problem, da enorm viel Wert auf die deutsche Sprache gelegt wird." Das habe praktische Gründe: Der Polizeiberuf bestehe eben nicht nur aus Streife, sondern es müsse viel Zeit für die Dokumentation der Amtshandlungen investiert werden. "'Wien braucht dich' informiert die Leute rechtzeitig, was sie sich aufbauen müssen, um die Aufnahme zu bestehen", sagt Grohs.

Chefinspektorin Yüksel Grohs glaubt an das Projekt: "Ich hoffe, dass wir langfristig das Ziel erreichen können, dass jede Inspektion mit einem Kollegen oder einer Kollegin mit Migrationshintergrund besetzt ist. Ich war bei den ersten Frauen dabei und da gab es gewisse Bedenken, ob wir das schaffen und die körperliche Stärke hätten, mit den Männern mitzuhalten. Unterm Strich gesehen haben die Frauen der Polizei sehr gut getan. Ich denke, das würden die Migranten auch tun." (Julia Schilly, derStandard.at, 17. April 2008)