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Sieht so ein autoritärer Herrscher aus? Dmitri Medwedew, salopp und volksnahe, beim Besuch einer Unterhaltungsshow am Freitag in Moskau.

Foto: APA/EPA/Dmitry Astakhov / Ria Novosti Pool
Dmitri Medwedew wird am Sonntag zum neuen Präsidenten Russlands gewählt. Laut Umfragen nicht wegen seiner Persönlichkeit, sondern wegen seiner Nähe zu Wladimir Putin. Aber er ist zur künftigen Nummer eins verurteilt.

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Moskau/Wien – Ein Vergleich zentraler Aussagen von Wladimir Putin vor seiner Wahl zum russischen Präsidenten am 26. März 2000 und des jetzigen Präsidentschaftskandidaten Dmitri Medwedew (siehe „Zitiert“) lässt nur zwei Schlussfolgerungen zu: Entweder der bisherige Erste Vizepremier zieht eine rhetorische Show ab oder er meint es ernst.

In ersterem Fall hätten jene Recht, die Putin auch künftig als Hauptakteur sehen. In letzterem stünden Russland turbulente Zeiten bevor. Denn die Profiteure des bisherigen Systems werden nicht kampflos aufgeben. Rückt Medwedew der Korruption tatsächlich mit dem Aufbau einer unabhängigen Justiz und mit Unterstützung starker freier Medien zu Leibe, dann wird es einen beinharten Kampf um Einfluss und Pfründe geben.

Die Frage ist nun: Was nützen Medwedew liberale Akzente vor der Wahl, wenn er seine Popularität hauptsächlich der Nähe zu Putin verdankt? Da wäre es doch logischer, die unveränderte Fortsetzung des Putin-Kurses zu verkünden. Will der künftige Kreml-Chef stattdessen die Russen auf Änderungen einstimmen? Laut Verfassung ist der Präsident eindeutig die Nummer eins. Er bestimmt die Richtlinien der Außen- und der Innenpolitik, ihm unterstehen die Schlüsselressorts Verteidigung, Äußeres, Justiz und Inneres und die Geheimdienste, er ernennt den Ministerpräsidenten und gibt diesem den Kurs vor.

Nun lässt sich vermuten, dass Putin aufgrund der natürlichen Autorität, die ihm in den acht Jahren als Kreml-Chef zugewachsen ist, auch als künftiger Premier der wahre Machthaber bleibt. Das ginge sicher nur eine gewisse Zeit gut, weil es eine sichtbare Erosion des höchsten Staatsamtes zur Folge hätte. Eine Verunsicherung der Bürokratie (Russlands eigentlicher Machthaberin) und sämtlicher öffentlicher Institutionen wäre die Folge, mit neuer Instabilität und unkontrollierbaren Fraktionskämpfen – also genau dem Gegenteil dessen, wofür Putin steht.

Medwedew ist also dazu verurteilt, sich durchzusetzen. Er hat auch bereits deutlich gesagt, dass es nur ein Machtzentrum geben könne. Solange Russland keine Demokratie ist, trifft dies zu. Aber vielleicht beginnt ab Sonntag tatsächlich eine neue Ära. (Josef Kirchengast/DER STANDARD, Printausgabe, 1./2.3.2008)