Ansichtssache
Gerichtszeichnungen von Oliver Schopf

Gerichtszeichnung: Oliver Schopf
Wien - Im Bawag-Prozess hat, um es mit Ex-Nationalratspräsident Andreas Khol zu sagen, der Marsch durch die Wüste Gobi begonnen. Verhandelt werden die trockenen und sehr komplexen Fakten, die prozessentscheidend sein werden. Diese Woche werden die beiden Gutachten hinterfragt; am Dienstag, Tag 61, saß Sachverständiger Thomas Keppert auf dem heißen Stuhl.

Der "Herr Honorarprofessor, Professor Doktor Keppert" (Christoph Herbst, neben Thomas Kralik Anwalt von Ex-Bankprüfer Robert Reiter) kommt in seinem Gutachten zum Schluss, dass die Bilanzen 1998 bis 2002 unrichtig und nichtig waren. Die Schlussbilanz für 2003 und die Bilanzen 2004 hält Keppert für richtig - so der Vorstand bei ihrer Erstellung nichts von den Refco-Malversationen gewusst hat. Strafrechtlich geht es dabei um die Frage der Bilanzfälschung (Johann Zwettler hat sie gestanden), der auch Ex-KPMG-Partner Reiter angeklagt ist. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Bei Reiter geht es um viel

In die Zange genommen wurde Keppert vor allem von den Anwälten Reiters, der in der KPMG die Jahresabschlüsse der Bank geprüft und testiert hat. Bei ihm geht es um viel: Sollte Reiter von der Untreue freigesprochen werden, so bliebe immer noch die Bilanzfälschung. Sollte aber herauskommen, dass die Bilanzen 2003 zur Gänze richtig sind, dann wären allfällige Bilanzfälschungen der Jahre davor bereits verjährt - und Reiter wäre aus dem Schneider.

Sehr kontroversiell wurde erörtert, auf welcher Basis Keppert zur Ansicht gelangte, dass die Bilanzierungsfehler so "wesentlich" waren, dass sie Nichtigkeit bewirkten. Der Diskussion über "Wesentlichkeit" und "Werterhellung" entwuchs ein heftiges Wortgefecht, das so endete. Herbst: "Machen Sie regelmäßig selbst Bankprüfungen?" Keppert: "Nein, das letzte Mal 1986, als ich bei der KPMG war." Herbst: "Ist man ein Fachmann auf dem Gebiet, wenn man 21 Jahre lang keine Bankprüfung vornimmt?" Keppert: "Ich bin nicht Sachverständiger für Bankprüfung, sondern für Bilanzierung".

Ob er als Gutachter "alle Unterlagen der KPMG gesehen habe", wollte Reiters Anwalt von Keppert wissen. "Nein, weil es ungefähr ein Zimmer ist", antwortete der, um hinzuzufügen, "dass das auch nicht notwendig gewesen wäre, weil: Die relevanten Akten habe ich gesehen". Und, so stellte Keppert klar, "zur Prüfung der Sondergeschäfte gab es bei der KPMG keine Akten. Die hat Reiter selbst gemacht, und da gab es nur handschriftliche Aktenvermerke."

Casino Jerich im Fokus

Lange gestritten wurde auch über die Casino-Jericho-Frage rund um die CAP Holding. Die Bawag hat ja ihren Anteil am 2000 gesperrten Kasino im Kampfgebiet auf 120 Mio. Euro aufgewertet (die Casino AG hat ihren abgewertet), Keppert geht davon aus, dass eine Abschreibung auf null notwendig gewesen wäre. Ebenso hätte die Bawag einen CAP-Kredit (41 Mio. Euro) wertberichtigen müssen, die Anwälte Reiters sehen das anders. Sie führen einen der Bawag überschriebenen Versicherungsanspruch von 45 Mio. Dollar (gegen die Gaza Ahliea Insurance, die die Zahlung verweigert hat) ins Treffen.

Das Ende vom Lied: neue Beweisanträge - und die Ankündigung der Richterin, dass "voraussichtlich" bis 29. Februar weiterverhandelt wird. (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30.1.2008)