Ansichtssache: Gerichtszeichnungen von Oliver Schopf

Gerichtszeichnung: Oliver Schopf
Wien – Die neue Bawag-Prozess-Woche hat erwartungsgemäß mit einem heißen Montag begonnen. Gleich zu Beginn der Verhandlung, in deren Mittelpunkt die Fragen an Gutachter Fritz Kleiner standen, erklärte Staatsanwalt Georg Krakow, er werde seine Anklage möglicherweise "modifizieren". Und zwar dahingehend, dass die Angeklagten bereits mit der Kreditgewährung an Wolfgang Flöttl im Jahr 1995 den Tatbestand der Untreue verwirklicht hätten. Derzeit betrifft dieser Anklagepunkt die Zeit ab 1998, genauer ab Anfallen des ersten Riesenverlusts von 639 Mio. Dollar im Oktober 1998.

Untreue schon ab 1995?

Der Ankläger argumentiert seine Überlegungen damit, dass die mit den Krediten von der Bawag erworbenen Anteile an Flöttls Arbitragegesellschaften bereits zum Zeitpunkt der Auszahlung der Kredite "nicht werthaltig" gewesen seien. Bis zu einem rechtskräftigen Urteil gilt für alle Involvierten die Unschuldsvermutung.

Basis für Krakows Ankündigung war wohl auch das Gutachten des Grazer Wirtschaftstreuhänders Kleiner, der sich ja nicht nur mit dem Handelsverhalten Flöttls, sondern auch mit dem Verhalten des Bawag-Vorstands auseinander gesetzt hat. Er bemängelt, wie berichtet, dass es schon 1995 "ab dem Zeitpunkt, ab de das Bawag-Geld die Arbitragegesellschaften verlassen hat, faktisch keine Sicherheiten" gegeben habe. Die Bawag habe am Verlustrisiko voll teilgenommen, wäre am (möglichen) Gewinn aber nur sehr begrenzt beteiligt gewesen. Dieses Verhalten hielte keinem Fremdvergleich statt, "unter diesen Umständen würde keine andere Bank Kredite vergeben", sagte der Gutachter. Um Erträge zu erzielen, habe die Bawag schlicht "Hochhochrisikogeschäfte" gemacht.

Die zwischen Flöttl und dem Rest der Angeklagten umstrittene Frage, ob der Investor bei den Unibonds verpflichtet gewesen wäre, in verschiedene Risikoklassen zu investieren, beantwortete Kleiner so: Die entsprechenden Vereinbarungen "wurden nie in den Vertrag mit der Bawag eingebaut". Warum nicht? "Diese Spekulation möchte ich dem Gericht ersparen."

Kleiner selbst blieb nicht viel erspart, wie die folgenden Fragestunden mit Elsner-Anwalt Wolfgang Schubert erweisen sollten. Der nahm zunächst eine Panne, die bei der elektronischen Übermittlung des 432-seitigen Gutachtens geschehen war, zum Anlass, den Gutachter in die Mangel zu nehmen. Denn mit dem Endgutachten hat Kleiner irrtümlicherweise auch temporäre Dateien ("Geisterdateien") mit diversen Entwürfen zum Gutachten übermittelt. Schubert warf Kleiner sinngemäß vor, dass die angeklagten Ex-Banker in den Entwürfen besser wegkämen als in der Endfassung – was Kleiner entschieden zurückwies.

Gewinner nicht zu sehen

Punkt für Punkt, Wort für Wort ging man die unterschiedlichen Texte durch. Kleiner begründete die unterschiedlichen Versionen mit diversen Stadien seiner Arbeit, an der neben seinen Kanzleimitarbeitern auch externe Schweizer Derivativ-Experten "und mein geschätzter Herr Schwager" mithalfen. Kontakte zum Staatsanwalt hätte es wohl gegeben, aber nur, wenn es um das Auffinden von Aktenmaterial gegangen sei.

In der Sache selbst gab es nicht viel Neues. Die Frage aller Fragen stellte Schubert so: "Bleibt es also auch nach Ihrem Gutachten vollkommen im Dunkeln, wo das Bawag-Geld hingeflossen ist?" Kleiner: "Ja, unglücklicherweise". Aus den vorliegenden Dokumenten könne er, Kleiner, aber nicht den Verlust aller Investments vollständig nachvollziehen Seine These im Gutachten, dass Flöttl "keine nachvollziehbare Investitionsstrategie" hatte, brachte der Grazer am Montag so auf den Punkt: "Flöttls Trades zeigen, dass er praktisch immer aufs falsche Pferd gesetzt hat." Eine Strategie hatte Flöttl doch, sollte sich Kleiner etwas später korrigieren: "Er wollte Gewinne machen." (Renate Graber, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.01.2008)