EZB-Chef Jean-Claude Trichet muss eine Entscheidung über die Leitzinsen treffen.

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Wien – Unabhängig von der Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) heute, Donnerstag, ist die Richtung der Zinsen eindeutig: aufwärts. Der Dreimonatszinssatz, zu dem sich Banken untereinander Geld borgen (siehe Wissen und Chart), hat ein Siebenjahreshoch erreicht. Die Verteuerung der Geldaufnahme wird sich über kurz oder lang auch auf die Kreditzinsen auswirken, heißt es aus mehreren österreichischen Großbanken. Allerdings: Niemand will derzeit den ersten Schritt setzen und Kunden vergraulen.

Der Euribor liegt traditionell zwar leicht über dem Leitzins, den die Europäische Zentralbank festlegt. Im Moment befindet sich der Satz mit 4,87 Prozent jedoch weit über dem Leitzins, der bei vier Prozent steht. "Dieser Unterschied ist der Ausdruck einer Liquiditätsverknappung", sagt Karl Sevelda, Vorstand der Raiffeisen Zentralbank (RZB). Hinter der momentanen Zinsentwicklung stecke auch viel Psychologie, ergänzt Nicolaus Hagleitner, der in der RZB den Bereich Global Treasury leitet.

Die anhaltend schlechten Nachrichten von Banken, die ihre Abschreibungen von schlecht besicherten Krediten erhöhen müssen, laste auf dem Vertrauen der Banken untereinander. "Keiner will derzeit zu viel Geld herborgen, weil man nicht abschätzen kann, ob nicht genau diese Bank am Tag darauf mit schlechten Nachrichten überrascht", erklärt Hagleitner. Zudem stehen die Banken vor ihren Jahresabschlüssen. "Damit steigt die Nervosität, weil jeder gut aufgestellt sein will", so Hagleitner. Der Druck an den Geldmärkten werde bis Jahresende eskalieren, heißt es in einer Einschätzung von Goldman Sachs.

Kurzfristig, also ein bis zwei Tage, sei es für Banken nach wie vor kein Problem, Liquidität aufzustellen, sagt Thomas Uher vom Vorstand der Erste Bank. Wolle man jedoch Geld für eine Woche oder länger, "dann wird es teuer". Für Geschäftskunden könnte sich dieser Umstand ebenfalls teuer auswirken, denn die erhöhten Kosten für Liquidität könnten von den Banken weitergegeben werden. "Wir überprüfen natürlich unsere Kalkulationen", sagt Uher zum Standard. Noch gebe es allerdings keine Anpassungen.

Die Nachfrage der Kreditinstitute war in den vergangenen Tagen überraschend hoch, weil viele Banken wegen der Finanzkrise und der bevorstehenden Feiertage rund um Weihnachten und Silvester sicherstellen wollen, dass sie zum Jahresende über genügend liquide Mittel verfügen.

Die EZB müsste angesichts des Inflationsdrucks eigentlich die Zinsen anheben, würde damit aber die Konjunkturabschwächung verschärfen. Deshalb wird keine Veränderung erwartet. Anders die Situation in den USA, wo die Notenbank die Leitzinsen nächste Woche noch einmal um bis zu 50 Prozent senken dürfte. (Bettina Pfluger, Andreas Schnauder, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6.12.2007)