Der Euribor liegt traditionell zwar leicht über dem Leitzins, den die Europäische Zentralbank festlegt. Im Moment befindet sich der Satz mit 4,87 Prozent jedoch weit über dem Leitzins, der bei vier Prozent steht. "Dieser Unterschied ist der Ausdruck einer Liquiditätsverknappung", sagt Karl Sevelda, Vorstand der Raiffeisen Zentralbank (RZB). Hinter der momentanen Zinsentwicklung stecke auch viel Psychologie, ergänzt Nicolaus Hagleitner, der in der RZB den Bereich Global Treasury leitet.
Die anhaltend schlechten Nachrichten von Banken, die ihre Abschreibungen von schlecht besicherten Krediten erhöhen müssen, laste auf dem Vertrauen der Banken untereinander. "Keiner will derzeit zu viel Geld herborgen, weil man nicht abschätzen kann, ob nicht genau diese Bank am Tag darauf mit schlechten Nachrichten überrascht", erklärt Hagleitner. Zudem stehen die Banken vor ihren Jahresabschlüssen. "Damit steigt die Nervosität, weil jeder gut aufgestellt sein will", so Hagleitner. Der Druck an den Geldmärkten werde bis Jahresende eskalieren, heißt es in einer Einschätzung von Goldman Sachs.
Kurzfristig, also ein bis zwei Tage, sei es für Banken nach wie vor kein Problem, Liquidität aufzustellen, sagt Thomas Uher vom Vorstand der Erste Bank. Wolle man jedoch Geld für eine Woche oder länger, "dann wird es teuer". Für Geschäftskunden könnte sich dieser Umstand ebenfalls teuer auswirken, denn die erhöhten Kosten für Liquidität könnten von den Banken weitergegeben werden. "Wir überprüfen natürlich unsere Kalkulationen", sagt Uher zum Standard. Noch gebe es allerdings keine Anpassungen.
Die Nachfrage der Kreditinstitute war in den vergangenen Tagen überraschend hoch, weil viele Banken wegen der Finanzkrise und der bevorstehenden Feiertage rund um Weihnachten und Silvester sicherstellen wollen, dass sie zum Jahresende über genügend liquide Mittel verfügen.