Wien - Weihnachten ist erst in fünf Wochen, doch schon jetzt will die SPÖ Süßes verteilen. "Jeder soll sein Stück vom Kuchen bekommen, ganz besonders die ältere Generation", schreibt Alfred Gusenbauer, wohlweislich als roter Parteichef, nicht als Bundeskanzler, in einem Brief an Österreichs Pensionisten.

Auf Vranitzkys Spuren

Roter Pensionistenbrief? Da werden alte Erinnerungen wach. Anno 1995, ebenfalls vor Weihnachten, wandte sich der damalige SPÖ-Kanzler Franz Vranitzky in einem ähnlichen Schreiben an die Senioren. Die Pensionen würden nicht angetastet, versicherte er damals. Pensionsreform wegen der alternden Gesellschaft? Nie gehört!

Die Zukunft sah dann anders aus - wiewohl Bundesgeschäftsführer Josef Kalina darauf pocht, dass erst Schwarz-Blau die Pensionen beschnitten habe. "Aber wurscht", sagt Kalina und spricht lieber über das hier und heute: "Da ist in einem ersten, großen Bereich ein neuer Kurs bemerkbar."

Kalina meint damit die beschlossene Pensionserhöhung von bis zu 2,9 Prozent. "Soziale Handschrift" sei da zu erkennen, ganz im Gegensatz zu den schwarz-blauen Jahren. Die Vorgängerregierung hat die Renten nur einmal, 2006, über die Teuerungsrate angehoben, ansonsten lag das Plus stets darunter. Nach dem Motto "Tue Gutes und rede darüber!" habe Gusenbauer nun eben einen Brief verfasst.

"ÖVP-Lobbying"

Einen solchen richtete unlängst auch Vizekanzler Wilhelm Molterer (ÖVP) in Sachen Schulreform an die Lehrer - worüber sich die SPÖ noch beschwerte. Dabei sei es nur um die datenschutzrechtliche Frage gegangen, wo Molterer die Adressen her habe, argumentiert Kalina: "Im Prinzip habe ich nichts gegen den Lehrerbrief."

Ob die im Gusenbauer-Brief gepriesenen Erfolge nicht doch manchen Pensionisten, nämlich jenen der Zukunft, teuer zu stehen kommen könnten? Hinter dieser Kritik wittert Kalina teilweise versteckte Motive: "Manche in der ÖVP betreiben Lobbying für private Versicherer und reden das Pensionssystem schlecht."

ÖVP: "Nichts Neues"

Mit Häme hat ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon den neuen Pensionistenbrief von Bundeskanzler SP-Chef Alfred Gusenbauer bedacht. Der Brief überrasche ihn "jetzt einmal nicht", denn: "Pensionistenbriefe sind ja nichts Neues bei der SPÖ", spielte er im Gespräch mit der APA auf den Pensionistenbrief von Ex-Kanzler Franz Vranitzky aus dem Jahr 1995 an. Ebenfalls "nichts Neues" sei es auch, dass es die SPÖ mit der Wahrheit dieser Pensionistenbriefe "nicht so ernst" nehme, so Missethon. Die SPÖ bezeichnete er als "Beiwagerl" der ÖVP, das aber auch nicht störe.

Es sei zwar jedem unbenommen, 200.000 Euro Briefe zu schreiben, meinte der Generalsekretär (SP-Bundesgeschäftsführer Josef Kalina hatte diese Summe als Kosten der Kampagne genannt), allerdings sei eine "inhaltliche Unglaubwürdigkeit" festzustellen. Denn die Pensionen seien in den letzten Jahren "selbstverständlich wesentlich erhöht worden", so Missethon, der auf ein Gesamtplus der durchschnittlichen Alterspension von 15,5 Prozent in den Jahren 2000 bis 2006 verwies. Gusenbauer hatte dem Kabinett unter Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel vorgeworfen, nur ein einziges Mal die Teuerung abgegolten zu haben.

(APA/jo/DER STANDARD, Printausgabe, 20.11.2007)