Leistungen wie Familienbeihilfe, Stipendien, aber auch Pflegegeld werden nur alle heiligen Zeiten aufgefettet und verlieren an Wert.

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Wien – „Wir sind die totalen Loser“: Alice Pitzinger-Ryba, 45, fünf Kinder, hat die Nase voll: „Die mittleren Generationen müssen für alles aufkommen: Sie soll die Jungen großziehen, die Alten erhalten und darf dann mit 75 in Pension gehen.“ Pitzinger-Ryba, Chefin des ÖVP-nahen Familienbundes, hält die jüngste Pensionserhöhung deshalb für ungerecht: „Wir zahlen alles und werden niemals ernten.“

Am Dienstag rangen die Seniorenvertreter der rot-schwarzen Regierung einen Rentenzuschlag von bis zu 2,9 Prozent ab – und fachten damit einen Generationenkonflikt an. Von einem „Anschlag“ auf die Jungen spricht der Sozialwissenschaftler Theodor Tomandl, der Bund der Steuerzahler meint: „Man sägt hier am Generationvertrag.“

Eine „Schieflage zugunsten der Älteren“ erkennt der ÖVP-Abgeordnete und Wirtschaftskämmerer Reinhold Mitterlehner: „Politik orientiert sich oft kurzfristig. Da hat der Druck der Pensionistenvertreter eben Erfolg.“ Standard-Recherchen belegen: Leistungen, die Jungen und Erwerbstätigen zugutekommen, werden im Gegensatz zu den Renten oft jahrelang nicht aufgefettet.

  • Der Basisbetrag der Familienbeihilfe wurde das letzte Mal im Jahr 2000 angehoben – um heiße 1,7 Prozent. Gemessen an der Teuerungsrate hat die Leistung seither de facto um 13 Prozent an Wert verloren. Erst nächstes Jahr steht ein Zuschlag von 12 Prozent aufwärts an, aber nur für Familien mit drei Kindern und mehr. Der Staat gibt dafür 36 Millionen Euro jährlich aus. Die Pensionserhöhung kostet etwa 680 Millionen.

  • Die Studienbeihilfen wurden heuer zum ersten Mal in diesem Jahrtausend erhöht. Die 12 Prozent kompensieren aber nicht die 16,6 Prozent Inflation seither. Das Gros der Studierenden habe überdies ohnehin nur sechs Prozent mehr zum Leben, argumentiert die Hochschülerschaft, weil sich ihr Zuschuss aus Studien- und Familienbeihilfe zusammensetzt – und letztere wurde nicht angehoben.

  • Der reale Wert des Arbeitslosengeldes sank laut Armutskonferenz seit 2000 um 2,9 Prozent, jener der Notstandshilfe sogar um 4,3 Prozent. Allerdings: Die Regierungen waren auch bei Leistungen knausrig, von denen alte Menschen profitieren.

  • Das Pflegegeld wurde, wie die Arbeiterkammer vorrechnet, seit 2000 nur einmal, und zwar um zwei Prozent, aufgestockt. Kaufkraftverlust: 14 Prozent. Seit einem Jahrzehnt verliert diese Leistung konstant an Wert. Martin Schenk von der Armutskonferenz hat errechnet, dass Pflegegeldbezieher der Stufe 3 gemessen an der Inflation pro Jahr heute um 712 Euro weniger als noch 1996 erhalten würden.

  • Die Pensionisten konnten zwar Jahr für Jahr auf dem Papier ein Plus herausschlagen, doch auch inklusive des jüngsten Zubrotes wiegt dieses nicht die Teuerung seit 2000 auf. Nächstes Jahr, wenn die aktuelle Erhöhung schlagend wird, dürften die Pensionisten im Schnitt immer noch mit einem Verlust an Kaufkraft aussteigen.

    Gleichzeitig kommen auf die Senioren neue Belastungen zu. Die Erhöhung des Krankenversicherungsbeitrages um 0,15 Prozent bringt dem Staat laut Kanzleramt 40 Millionen Euro. Womit sich die Pensionisten einen Teil des 100 Millionen teuren Zuschlags über die ursprünglich festgelegten 1,7 Prozent hinaus selbst bezahlen würden. Außerdem frisst die Steuer mit, womit Rentner über 1000 Euro Netto nur ein Plus von 1,2 erhalten.

    Ein Mindestrentner bekommt netto 2o Euro monatlich drauf, 746 statt bisher 726 Euro. Was immer noch unter der von der EU definierten Armutsschwelle von 900 Euro liegt. „Wir haben keine Pensionserhöhung für Experten gemacht“, kontert Kanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) die Kritik von Tomandl und Co.

    Die Familienlobbyistin Pitzinger-Ryba fordert indes Waffengleichheit mit den schlagkräftigen Oldies, die mit dem Pensionistenpreisindex, der die besonders hohe Teuerung von Rentnerprodukten beweisen soll, hausieren gehen: „Wir wollen einen eigenen Preisindex für Familien.“ (Gerald John/DER STANDARD, Printausgabe, 15.11.2007)