"Mir geht es nicht darum, dass das nächste Buch erfolgreich ist, es muss gut sein. Das ist ein ganz anderer Druck. Im besten Fall soll das nächste Buch immer besser sein als das davor."

Foto: Matthias Cremer
STANDARD: Ihr Erzählband "Anna nicht vergessen" wird von der Kritik als Zwischen-Buch wahrgenommen, das im Grunde nicht so wichtig ist wie ein Roman. Stört Sie das?

Arno Geiger: Ein bisschen schon. Es ist ein typischer Reflex des Literaturbetriebs, nur den Roman als das Eigentliche und Erzählungen als Nebenprodukte anzusehen. Sie haben leider im deutschsprachigen Raum nicht den Ruf wie im englischsprachigen. Mir kommt mittlerweile fast vor, dass auch die Autoren nicht mehr an Erzählungen glauben. Einfach weil die Aufmerksamkeit, die man damit findet, eine deutlich geringere ist als bei Romanen. Da und dort bekommt man auch das Gefühl vermittelt, dass die Kritiker mit der Formensprache der Erzählung nur wenig vertraut sind.

STANDARD: Was fasziniert Sie an der Erzählung?

Geiger: Erzählungen sind viel flexibler. Die passen durch manches enge Loch hindurch, für das der Roman zu sperrig ist. Sie haben auch eine ganz andere Formensprache. Im Grunde sind Erzählungen eine Form, für die man gute Nerven braucht.

STANDARD: Als Autor?

Geiger: Ja, und auch als Leser. Weil Erzählungen maximal vorspiegeln, Anfang und Ende zu haben, aber im Grunde sind Anfang und Ende rein zufällig. Sie lassen den Leser meist ratlos zurück, ohne Happyend, ohne Todesfall. So vermitteln Erzählungen vielleicht auch das Gefühl, dass das Leiden anhält. Meines Erachtens sind sie die sehr viel geeignetere Form, um die Momenthaftigkeit des menschlichen Lebens darzustellen.

STANDARD: Das wäre der Einwand, den der Leser haben könnte: Die Geschichten in "Anna nicht vergessen" bleiben flüchtig, sie versanden.

Geiger: Und im Grunde genommen gehört das unbedingt dazu. Erzählungen handeln vom Alltag. Der Alltag gehört da so zwingend hinein wie die Leiche in den Krimi. Erzählungen, die nur auf Pointen hin geschrieben oder anekdotenhaft sind, sind garantiert schlecht.

STANDARD: Wie ist das für Sie vom Arbeitaufwand her?

Geiger: Sehr aufwändig. Es gibt kein Seitenschinden. Erzählungen sind zwar beim Schreiben übersichtlicher, aber auch für den Leser und verzeihen deshalb keinen Fehler. Sie lehren einen Präzision. Man muss den richtigen Ton finden, man kann auch nicht jeden Stoff über denselben Leisten schlagen, und man muss seine Figuren genau kennen. Bei zwölf Erzählungen summiert sich das, da steckt einiges an Welt drinnen.

STANDARD: Sie sind als einer bekannt, der seine Geschichten lang konzipiert.

Geiger: Das kann man schon sagen. Bei Es geht uns gut haben die Vorarbeiten eineinhalb Jahre in Anspruch genommen. Auch bei Erzählungen habe ich nicht diesen spontanen, brachialen Zugang, dass ich eine Idee habe, mich hinsetze und am nächsten Tag erschöpft ins Bett sinke – und die fertige Erzählung bleibt am Schreibtisch zurück.

STANDARD: Der Hype um "Es geht uns gut" ist abgeklungen. Ist es Absicht, dass darauf ein "stilleres" Buch folgt?

Geiger: Die Entscheidung, dass als Nächstes ein Erzählband kommt, ist schon gefallen, bevor Es geht uns gut erschienen ist. Im Nachhinein ist mir das aber ziemlich recht, da der Erzählband nicht so unmittelbar daran gemessen wird. Zweitens stimmt es schon, dass mir irgendwann die Zunge vor Erschöpfung beim Hals herausgehangen ist. Mein Lieblingsleben ist es nicht, ständig im Fokus der Aufmerksamkeit zu stehen.

STANDARD: Wie wirkt sich Erfolg auf einen Autor aus?

Geiger: Der Erfolg ist unglaublich zeithungrig. Ein Dreivierteljahr war ich ganz wenig zu Hause, habe in Zügen und im Hotel gearbeitet. Irgendwann hatte ich auch ein Gefühl dafür, warum Popstars Hotelzimmer zertrümmern. Jetzt bin ich vor allem unabhängiger. Ich muss mich bei Angeboten nicht mehr fragen, ob ich das Geld brauche. Davor war ich vier Monate im Jahr Bühnenarbeiter auf der Seebühne in Bregenz, um meine Rechnungen zu bezahlen.

STANDARD: Lastet "Es geht uns gut" andererseits nicht wie eine Hypothek auf kommenden Romanen?

Geiger: Mir geht es nicht darum, dass das nächste Buch erfolgreich ist, es muss gut sein. Das ist ein ganz anderer Druck. Im besten Fall soll das nächste Buch immer besser sein als das davor. Es geht uns gut war insofern ein Durchbruch für mich, weil ich da erst gelernt habe, mich in andere Menschen hineinzuversetzen. In meinen früheren Büchern habe ich mich mehr mit Charakteren auseinandergesetzt, die mir ähnlich sind. Sich die Welt durch die Augen eines anderen vorzustellen hat mir selbst viel gebracht. Und es ist meines Erachtens auch das beste Mittel gegen jede Art von Fundamentalismus oder Radikalität.

STANDARD: Möchten Sie verraten, wovon Ihr nächster Roman handeln wird?

Geiger: Ich bin gerade am Konzipieren und Recherchieren. Wie es im Moment ausschaut, wird es ein Eheroman werden, der heute spielt, mit einem Paar, das schon 20, 25 Jahre Beziehung am Buckel hat. (Sebastian Fasthuber, DER STANDARD/Printausgabe, 25.09.2007)