Drei Jahre danach fällen FlüchtlingsberaterInnen ein weniger positives Urteil der Reform: Die Versorgung sei lückenhaft und, je nach Landesgesetz und Art der Unterbringung, von Qualitätsunterschieden geprägt, Menschen müssten zum Teil unter unzumutbaren Bedingungen leben – so die Kritik der Flüchtlingsinitiativen.
Fehlende Daten
Wie viele Asylsuchende in den letzten Jahren aus der Grundversorgung (GVS) gefallen sind, weiß nur das Innenministerium - und dabei dürfte es auch bleiben. Die Daten seien "zu kompliziert zu ermitteln", so die Auskunft der Presseabteilung. Selbst der – im Ministerium angesiedelte – Menschenrechtsbeirat habe keinen Zugang dazu, sagt Walter Witzelsdorfer, Leiter der Geschäftsstelle des Beirats.
Innenminister Günther Platter selbst sprach vor einigen Monaten im ORF-Streitgespräch von "Einzelfällen", die von der Grundversorgung nicht erfasst würden – eine Diagnose, der Jürgen Stowasser vom Flüchtlingsverein Ute Bock nicht zustimmen kann: Vor drei Jahren seien 400 obdachlose Flüchtlinge beim Verein gemeldet gewesen, um sich dort ihre Post abholen zu können. Heute, drei Jahre mit drastisch gesunkenen Asylantragszahlen später, seien es bereits fast 1000 AsylwerberInnen ohne GVS, die mit dem Verein in Kontakt stünden – "und das sind nur die, die es bis zu uns geschafft haben", meint Stowasser, der eine höhere Dunkelziffer vermutet. In den privat angemieteten Unterkünften des Vereins lebten weitere 175 AsylwerberInnen ohne GVS.
Großer Spielraum
Die Gründe, warum die Grundversorgung entzogen werden kann, sind zwar gesetzlich geregelt. Einerseits lassen die Bestimmungen der Anwendung jedoch relativ viel Spielraum, andererseits kursiere seit einiger Zeit ein ominöser "Kriterienkatalog, der zwar keine Verordnung ist, aber so angewendet wird, als wäre er eine", sagt Anny Knapp. Dieser im Innenministerium erstellte Leitfaden solle den Leitstellen der Bundesländer Tipps geben, wie die "Hilfsbedürftigkeit" der AsylwerberInnen am besten einzustufen sei. Knapp nennt ein Beispiel: "Verlässt ein Asylwerber mehrmals pro Monat für einen Tag das Quartier, dann geht der Kriterienkatalog schon davon aus, dass er irgendwelchen Arbeiten nachgeht und sich selbst versorgen kann." Die Folgen: Verlust der Unterkunft, der Verpflegung, des Taschengelds, der Krankenversicherung.
Viele AsylwerberInnen würden auch auf der Straße landen, weil sie ihr Quartier für mehr als drei Tage verlassen. Sie würden zwar gewarnt, dass das den Verlust der GVS zur Folge habe, sagt Knapp. "Oft ist die Unterbringung aber nicht zumutbar" – etwa, wenn ein Familienmitglied oder die einzige Bezugsperson aus dem Herkunftsland in einem anderen Bundesland einquartiert ist. "Die Asylwerber haben keine Mitentscheidung, in welches Bundesland sie kommen", kritisiert Knapp.
Schweinefleisch für Moslems
Flüchtlingshelferin Ute Bock weiß auch von Fällen, in denen schlichte Willkür zum Rausschmiss geführt haben soll: "Ein Moslem ist aus der Unterkunft geflogen, weil man ihm Schweinefleisch vorgesetzt hat und er sich darüber beschweren wollte", erzählt Bock, die sich umgehend bei der zuständigen Behörde beschwert hat – vergeblich: "Das bisserl Schweinefleisch wird den schon nicht umbringen", erfuhr sie vom Beamten der Landesleitstelle. Bock ist verärgert: "Das wäre so, wie wenn man mich in China zwingen würde, Hundefleisch zu essen."
Zudem würde die Drei-Tages-Regel vor allem in den ländlichen Unterkünften – Privatpensionen, Wirtshäuser mit Gästezimmern - vielfach missbraucht: "Da werden Menschen rausgeschmissen, weil es Konflikte mit dem Wirten gegeben hat", vermutet Bock-Mitarbeiter Stowasser. "Der Wirt ‚vergisst' dann ein paar Tage, das zu melden, und irgendwann ruft er bei der Leitstelle an und sagt: ‚Der Flüchtling hat das Quartier verlassen'".